Regionale Unterschiede

Engpässe treten aufgrund des starken Rückgangs der erwerbsfähigen Bevölkerung insbesondere in den ländlichen Kreisen im Norden Bayerns auf.

Resultierende Ungleichgewichte in den einzelnen Regionen

Die aus der Entwicklung von Nachfrage und Angebot resultierenden Ungleichgewichte stellen sich regional ebenfalls sehr unterschiedlich dar. In der nachstehenden Abbildung 10 ist der relative Arbeitskräftesaldo in Prozent der Nachfrage interaktiv dargestellt - sowohl insgesamt, als auch auf Ebene von Berufshauptgruppen und für jeden der Kreise und kreisfreien Städte.

Über alle Berufe hinweg zeigt sich, dass im Jahr 2035 in keinem der Kreise und der kreisfreien Städte ein signifikantes Überangebot an Arbeitskräften vorliegt. So beträgt der maximale Saldo minus 0,6 Prozent der Nachfrage, was eher einem ausgeglichenen Verhältnis von Angebot und Nachfrage entspricht. Allerdings zeigen sich mit einem Saldo von bis zu minus 21,9 Prozent der Nachfrage in einigen Kreisen im Jahr 2035 deutliche Engpässe. Dies bedeutet, dass in diesem Fall etwa jede fünfte Stelle rechnerisch unbesetzt bleibt.

Ähnlich wie bei der Betrachtung des Arbeitskräfteangebots wird auch bei der Analyse der Ungleichgewichte ein Nord-Süd-Gefälle sichtbar. Das bedeutet, dass die demografische Entwicklung der wesentliche Treiber für regionale Engpässe darstellt. Insbesondere in den ländlichen Kreisen im Norden Bayerns treten dabei größere rechnerische Engpässe auf. In den Kreisen Oberbayerns zeigen sich hingegen weniger gravierende Engpässe.

Bei der Interpretation gilt es grundsätzlich zu beachten, dass es sich bei dem hier ausgewiesenen prozentualen Saldo um ein relatives Maß handelt. Daher sollte stets auch die absolute Nachfrage im jeweiligen Kreis mit berücksichtigt werden. Durch einen Klick auf einen bestimmten Kreis wird die absolute Nachfrage für das jeweilige Jahr in Abbildung 9 daher ebenfalls mit angezeigt.

Abbildung 10
Relativer Arbeitskräftesaldo* in Prozent der Nachfrage, 2022 bis 2035, insgesamt und nach Berufshauptgruppen

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* Der Arbeitskräftesaldo ergibt sich aus der Differenz zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage. Der Arbeitskräftesaldo wird in Prozent der Arbeitskräftenachfrage dargestellt, um relative Engpässe und Überschüsse sichtbar zu machen. Ein positiver Saldo bedeutet, dass das Arbeitskräfteangebot die Arbeitskräftenachfrage übersteigt und damit ein Angebotsüberschuss vorliegt. Umgekehrt bedeutet ein negativer Saldo, dass ein Arbeitskräftemangel vorliegt.

Die Auswertungsmöglichkeiten bieten bei richtiger Interpretation der Ergebnisse mehrere Vorteile

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist es wichtig zu beachten, dass rechnerische Ergebnisse auf einer sehr detaillierten regionalen Ebene und der weiteren Differenzierung nach einer Vielzahl von Berufshauptgruppen unter anderem aufgrund der geringen Fallzahlen stets mit Vorsicht zu interpretieren sind und für die Entwicklung der einzelnen Kreise eher Tendenzen aufweisen als exakte quantitative Ergebnisse darstellen. Das tatsächliche Ausmaß der entstehenden Ungleichgewichte in einem bestimmten Kreis kann somit zwar abweichen, die Grundaussage über die Wirkungsrichtung und der im Vergleich zu den anderen Kreisen entstehenden relativen Problematik ist unter den getroffenen Annahmen der Szenariorechnung hingegen belastbar.

Ein Beispiel für die höhere Unsicherheit bei Szenariorechnungen auf kleinräumiger Ebene ist die Berücksichtigung der zukünftigen Pendlerverflechtungen. Je kleiner die betrachtete regionale Ebene ist, desto anpassungsfähiger sind die Menschen vor Ort in der Regel in Bezug auf ihre Mobilität. Das bedeutet, dass sich die Pendlerverflechtungen zwischen benachbarten Kreisen schnell ändern können. Dies kann einerseits auf Veränderungen auf der Nachfrageseite zurückzuführen sein, wie zum Beispiel der Schließung eines Betriebes in einem Kreis und der Neuansiedlung eines anderen im benachbarten Kreis. Andererseits können weitere regionale Veränderungen wie beispielsweise das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr dazu führen, dass das Pendeln in andere Kreise attraktiver wird.

Aufgrund dessen greift die isolierte Betrachtung der Ergebnisse für einen Kreis stets etwas zu kurz. Daher sollten bei der Interpretation die Entwicklungen in den umliegenden Kreisen ebenfalls berücksichtigt werden. Wenn ein Kreis beispielsweise rechnerische Engpässe aufweist, muss dies nicht zwangsläufig ein Problem darstellen, wenn es gleichzeitig rechnerische Überschüsse in einem oder mehreren Nachbarkreisen gibt. 

Regionale Auswertungen: Verkaufsberufe

In dieser Box werden beispielhaft die Kernergebnisse und Auswertungsmöglichkeiten für eine Berufshauptgruppe dargestellt. Die kreisspezifischen Ergebnisse für alle weiteren Berufshauptgruppen lassen sich interaktiv im Webmagazin einsehen. Bei der Wahl der Berufshauptgruppe Verkaufsberufe wird dabei bewusst ein Berufsbild ausgewählt, das in nahezu jeder Region nachgefragt wird und eine relativ starke örtliche Bindung hat. So umfasst die Berufshauptgruppe unter anderem den Verkauf von Kleidung oder Lebensmitteln und damit auch die in den entsprechenden Filialen Beschäftigten. 

Die Ergebnisse (vgl. Abbildung 10) machen deutlich, dass es zwischen den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten teilweise erhebliche Unterschiede gibt. Die Variation reicht dabei von einem Überangebot an Arbeitskräften von bis zu 7,4 Prozent der Nachfrage bis hin zu Engpässen von über einem Fünftel. Übergreifend lässt sich allerdings auch für diese Berufshauptgruppe feststellen, dass insbesondere in den nördlichen Kreisen sowie in stark ländlich geprägten Kreisen größere Engpässe bestehen. 

Neben dem bereits erwähnten Aspekt der demografisch ungünstigeren Entwicklung in vielen ländlich geprägten Kreisen spielt hierbei auch eine Rolle, dass der Anteil der Beschäftigten der Berufshauptgruppe Verkaufsberufe an allen Berufshauptgruppen auch vom Gemeindetyp abhängt. In Metropolregionen und Großstädten ist der Anteil gemäß der amtlichen Statistik in der Regel deutlich geringer als im kleinstädtischen, dörflichen Raum. Wir gehen davon aus, dass sich an diesem Zusammenhang auch mittelfristig wenig verändern wird. Ein Grund hierfür ist beispielsweise, dass sich der Onlinehandel im ländlichen Raum weiterhin fast ausschließlich auf den aperiodischen Bedarfsbereich beschränkt, für den periodischen Einkauf bspw. von Lebensmitteln aber nahezu keine Rolle spielt.

Unter anderem auch aufgrund dieser Unterschiede zwischen dem ländlichen und dem großstädtischen Raum zeigt sich in der Landeshauptstadt München folgendes Bild. Hier ist für die Berufshauptgruppe Verkaufsberufe mit einem Überangebot in Höhe von 7,2 Prozent der Nachfrage zu rechnen – in den Nachbarkreisen fallen die Überangebote hingegen deutlich geringer aus, beziehungsweise es liegen zumeist Defizite vor. In diesem Fall werden sich die rechnerisch entstehenden Engpässe gegebenenfalls dadurch abschwächen, dass aktuell in die Stadt München einpendelnde Verkäufer ihr Pendelverhalten anpassen und sich in den benachbarten Kreisen mit einem anteilig höheren Bedarf an Verkaufsberufen eine Arbeit suchen. Ähnliches gilt auch für andere Städte, etwa Fürth oder Regensburg.

Aus den aufgezeigten regionalen Fachkräftedefiziten im Jahr 2035 lassen sich erste Hinweise auf berufs- und regionalspezifische Handlungsbedarfe ableiten. Beispielsweise arbeiten im Landkreis Bayreuth aktuell knapp 1.700 Personen in Verkaufsberufen, bis zum Jahr 2035 wird die Nachfrage auf etwa 2.050 Personen ansteigen. Das rechnerische Arbeitskräftedefizit in den Verkaufsberufen des Landkreises liegt dann bei knapp 17 Prozent der Nachfrage, sodass sich hier ein gewisser Handlungsdruck ergibt.

Die Gewinnung von im Verkauf tätigen Beschäftigten aus umliegenden Kreisen bietet für den Landkreis Bayreuth allerdings nur wenig Potenzial, um diese Problematik zu lösen. Grund ist, dass in jedem angrenzenden Landkreis im Jahr 2035 ebenfalls Defizite in Verkaufsberufen bestehen. Da im Landkreis Bayreuth das berufsübergreifende Arbeitskräftedefizit etwa 16 Prozent beträgt, erscheint die Gewinnung von Quereinsteigern aus anderen Berufshauptgruppen ebenfalls wenig vielversprechend.

Um das rechnerische Fachkräftedefizit in Verkaufsberufen im Jahr 2035 abzumildern, müsste der Landkreis Bayreuth daher das Arbeitskräfteangebot bzw. das Arbeitsvolumen insgesamt erhöhen. Aus der im Webmagazin dargestellten Teilzeitquote in den Landkreisen und kreisfreien Städten Bayerns geht hervor, dass der Landkreis mit über 30 Prozent Teilzeitquote einen sehr hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten hat. Gelingt es beispielsweise durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Teilzeitquote zu senken, könnte im Landkreis Bayreuth so das Arbeitsvolumen ausgeweitet und das Arbeitskräftedefizit so gesenkt werden. Auch könnte eine gezielte Arbeitskräfteanwerbung im Ausland, insbesondere im nahegelegenen Tschechien, das Arbeitskräfteangebot erhöhen.

Das Beispiel zeigt, dass die im Rahmen der Studie durchgeführten Analysen und Szenariorechnungen zur berufsspezifischen Entwicklung von Angebot, Nachfrage und potenziellen Ungleichgewichten auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte Bayerns mehrere Vorteile bieten. So werden umfassende Informationen über die Beschäftigungssituation in bestimmten Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Berufsgruppen sichtbar. Darüber hinaus können Trends frühzeitig erkannt und festgestellt werden, welche Berufe regional an Bedeutung gewinnen. Dies ist zum einen relevant für die sich mit der Arbeitsmarktgestaltung befassenden politischen Akteure, aber auch für Arbeitsuchende und Unternehmen.

Bei der Interpretation gilt es zu beachten, dass es sich bei dem hier ausgewiesenen prozentualen Saldo um ein relatives Maß handelt. So entspricht das Überangebot von 7,2 Prozent der Nachfrage der Landeshauptstadt München im Jahr 2035 aufgrund der absolut betrachtet hohen Nachfrage etwa 3.500 Arbeitskräften. Ein entsprechender Überschuss von etwa 10 Prozent in einem ländlichen Kreis entspricht in absoluten Zahlen deutlich weniger Arbeitskräften.

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