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Gesamtwirtschaftliche Prognose

Argentinien ist trotz zahlreicher wirtschaftlicher Probleme ein aufstrebendes Schwellenland und gehört zur Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). Mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 590 Milliarden Euro im Jahr 2023 ist das Land hinter Brasilien (1.770 Mrd. Euro) und Mexiko (1.150 Mrd. Euro) die drittgrößte Volkswirtschaft in Lateinamerika. Von 2023 bis 2030 erwarten wir ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 2,0 Prozent p. a. Argentinien befindet sich damit beim Wirtschaftswachstum im Mittelfeld der betrachteten lateinamerikanischen Staaten. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt in Argentinien im regionalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Im Zeitraum von 2023 bis 2030 rechnen wir jedoch nur mit einer geringfügigen Steigerung von rund 12.600 Euro auf rund 13.700 Euro. Gleichwohl zählt Argentinien damit auch zu Beginn des nächsten Jahrzehnts zu den reichsten Ländern Lateinamerikas. Zum Vergleich: Spitzenreiter Chile weist im Jahr 2023 das höchste Pro-Kopf-BIP von knapp 13.100 Euro auf, die Werte in Mexiko (8.900 Euro) und in Brasilien (8.200 Euro) liegen spürbar niedriger. Ein anhaltendes makroökonomisches Problem stellt die sehr hohe Inflation mit zum Teil dreistelligen jährlichen Preissteigerungsraten dar.

Demografische Entwicklung

Die Bevölkerungszahl Argentiniens beträgt im Jahr 2023 rund 46 Millionen Einwohner. Bis 2030 rechnen wir mit einem Anstieg auf rund 49 Millionen. Auch die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter wird bis zum Jahr 2030 leicht ansteigen. Im Vergleich etwa zu Deutschland hat Argentinien damit eine spürbar jüngere Bevölkerung. So liegt der Anteil der über 65-jährigen im Jahr 2023 in Deutschland bei 22 Prozent, in Argentinien bei lediglich 12 Prozent. Dies dürfte sich insgesamt positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken: Den Unternehmen des Landes stehen ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung. Zudem weisen Volkswirtschaften mit einer jüngeren Bevölkerungsstruktur im Durchschnitt eine stärker ausgeprägte Konsumneigung auf.


Außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen Argentinien und Deutschland richten sich nach den allgemeinen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) – ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Land gibt es nicht. Entsprechend fallen beim bilateralen Handel Zölle an, zudem bremsen nichttarifäre Handelshemmnisse den wirtschaftlichen Austausch. Die Verhandlungen zu dem umfassenden Handelsabkommen der EU mit den Staaten des Mercosur wurden zwar 2019 abgeschlossen, das Abkommen ist aber noch nicht ratifiziert und in Kraft getreten. Das Abkommen würde die Rahmenbedingungen spürbar verbessern: Einerseits haben sich die Mercosur-Staaten verpflichtet, fast 90 Prozent der Einfuhren von Industrieprodukten aus der EU (darunter Kraftfahrzeuge, Kfz-Teile, Maschinen, chemische Produkte, Arzneimittel) zu liberalisieren. Andererseits würden die Handelshemmnisse für rund 80 Prozent der Ausfuhren von Industrieprodukten und Nahrungsmittel des Mercosur in die EU abgeschafft werden. Heute sind die USA, China, Spanien und Deutschland die wichtigsten Handelspartner Argentiniens. Gleichzeitig nehmen auch die Nachbarländer Brasilien, Uruguay, Paraguay und Chile eine wichtige Position bei den Außenhandelsgeschäften des Landes ein.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Die durchschnittliche Qualität der Institutionen in Argentinien wird im Vergleich zu den übrigen Ländern in Lateinamerika im unteren Mittelfeld eingestuft. Insgesamt gelten die institutionellen Rahmenbedingungen als deutlich verbesserungswürdig. Schwachpunkte bilden insbesondere das hohe Maß an sozialer Ungleichheit, die hohe Armutsrate und die hohe Steuerlast für Gewerbetreibende. Zudem hemmen die große Schattenwirtschaft und die geringe Produktivität die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Als Standortvorteile gelten die umfangreichen natürlichen Ressourcen, das relativ hohe Bildungsniveau und die hohen privaten Kapitalreserven.

Politische Rahmenbedingungen

Gemäß Verfassung ist Argentinien eine Präsidialdemokratie, die dem Präsidenten des Landes eine machtvolle Stellung einräumt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Herbst 2023 setzte sich der politische Newcomer Javier Milei in der Stichwahl gegen den Linksperonisten Sergio Massa durch. Zu den größten Herausforderungen für den nächsten Präsidenten gehört die Einleitung von Wirtschaftsreformen in dem krisengeplagten Land. Diese sind auch deshalb notwendig, um die dringend benötigten Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds zu erhalten. Der neu gewählte Milei bezeichnet sich selbst als einen Anhänger des Wirtschaftslibertarismus. Gemäß seinen Plänen soll sich der Staat so stark wie möglich aus dem Wirtschaftsgeschehen zurückziehen, Marktkräfte sollen sich möglichst ungestört entfalten können. Des Weiteren versprach Milei den argentinischen Peso vollständig durch den US-Dollar zu ersetzen, um die sehr hohe Inflation zu beenden. Bei der Umsetzung seiner Pläne muss er mit Widerstand aus der Opposition sowie den in Argentinien starken Gewerkschaften und Sozialverbänden rechnen. Die politischen Rahmenbedingungen sind durch eine äußerst polarisierte Atmosphäre zwischen den politischen Lagern gekennzeichnet, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, was die politische Konsensfindung erheblich erschwert.

Exportchancen in Argentinien im Fokus

Argentinien gehört bisher nicht zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Zwischen 2012 und 2022 ging die deutsche Ausfuhr nach Argentinien um durchschnittlich 0,9 Prozent p. a. zurück, während sie insgesamt um 3,7 Prozent p. a. zulegte. Im Jahr 2022 lag ihr Wert bei rund 2 Milliarden Euro. Damit entfallen 0,2 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhr auf Argentinien und im Vergleich mit allen übrigen deutschen Handelspartnern lag das Land 2022 auf Rang 56.

Trotz der insgesamt eher geringen wirtschaftlichen Dynamik in der jüngeren Vergangenheit rechnen wir in den kommenden Jahren mit einem relativ hohen Wachstum der argentinischen Importnachfrage. Sie dürfte zwischen 2023 und 2030 um durchschnittlich 3,5 Prozent p. a. zulegen. Besonders dynamisch dürfte die argentinische Importnachfrage nach Metallerzeugnissen, Elektrischen Ausrüstungen sowie DV-Geräten, Elektronik und Optik ansteigen. Die Einfuhr von Kraftwagen wird voraussichtlich auch weiterhin nur unterdurchschnittlich zulegen.

Kraftwagen und Kraftwagenteile

Die Produktgruppe Kraftwagen und Kraftwagenteile ist einer der zentralen Pfeiler der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Argentinien und Deutschland. Dennoch war die deutsche Ausfuhr in diesem Bereich im Zeitraum seit 2012 mit durchschnittlich -9 Prozent p. a. stark rückläufig. Im Jahr 2022 erreichte sie einen Wert von rund 300 Millionen Euro. Damit bedient Deutschland rund 6 Prozent der argentinischen Importnachfrage und liegt knapp hinter Thailand (8 %) und Japan (7 %). Deutlicher Marktführer ist Brasilien mit einem Marktanteil von 53 Prozent. Das Thema Elektromobilität steht in Argentinien noch am Anfang. Im ganzen Land gibt es bisher weniger als 30 Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Künftig soll jedoch sowohl die Ladeinfrastruktur als auch die inländische Produktion von E-Autos ausgebaut werden. Die im Land produzierenden Unternehmen im Bereich E-Mobilität können von den Lithium-Reserven in Argentinien profitieren – mehr als die Hälfte der weltweiten Reserven befinden sich in Argentinien, Chile und Bolivien.

Maschinen und Maschinenteile

Die Produktgruppe Maschinen und Maschinenteile ist gemessen am Wert der Ausfuhr die größte Einzelkategorie beim argentinisch-deutschen Außenhandel. Rund jeder fünfte gehandelte Euro gehört zu dieser Produktgruppe. Dennoch war der bilaterale Außenhandel im Zeitraum von 2012 bis 2022 mit -0,6 Prozent p. a. leicht rückläufig und belief sich zuletzt auf rund 500 Millionen Euro (2022). Damit entfällt auf Deutschland 10 Prozent des argentinischen Importmarktes. Nur die USA (14 %), Brasilien (16 %) und Marktführer China (25 %) bedienen noch größere Anteile. Die argentinische Regierung hat einen Plan verabschiedet, um die Modernisierung des verarbeitenden Gewerbes mit Industrie 4.0-Technoloige voranzutreiben. Dafür ist ein finanzieller Rahmen von über 60 Millionen US-Dollar vorgesehen. Auch die Digitalisierung des Agrarsektors kann Absatzchancen für deutsche Maschinenhersteller bieten. In der Landwirtschaft gehört Argentinien zu den Vorreitern in Sachen Digitalisierung. Deutsche Unternehmen können sich hier ggf. als Zulieferer smarter Maschinenteile an der Entwicklung neuer Agrartechnologien beteiligen.

Elektrische Ausrüstungen

Die deutsche Ausfuhr in der Produktgruppe Elektrische Ausrüstungen ist seit 2012 mit durchschnittlich -1,2 Prozent p. a. deutlich gesunken. Im Jahr 2022 lieferte Deutschland Waren im Wert von umgerechnet rund 100 Millionen Euro in das lateinamerikanische Land und bediente damit 7 Prozent der gesamten argentinischen Importnachfrage. Damit zählt Deutschland zu den Top 5 Akteuren auf dem Markt. Gleichwohl ist der Abstand zu den Marktführern China (35 %) und Brasilien (20 %) groß. Argentinien verfügt über sehr gute Voraussetzungen zur Produktion erneuerbarer Energien. Dieses Potenzial wird bisher nur gering ausgeschöpft, denn über 85 Prozent der Energie stammt aus fossilen Brennstoffen. Zusätzlich zum Ausbau der erneuerbaren Energien müssen die argentinischen Stromnetze – vor dem Hintergrund des steigenden Strombedarfs – ausgebaut und modernisiert werden. Die argentinische Regierung rechnet für den Ausbau des Hochspannungsleitungsnetzes mit einem Investitionsbedarf von rund 5 Milliarden US-Dollar über die kommenden Jahre. Darunter fallen erste Projekte, wie etwa der Ausbau des Zugangs zu Energie sowie Verbesserung der Energieeffizienz ausgewählter Haushalte und Gemeinschaften für rund 400 Millionen US-Dollar. Argentinien verfügt über sehr große Lithiumvorkommen und ist dabei sich zu einem der weltweit größten Lithiumproduzenten zu entwickeln. Dies dürfte auch den Aufbau von inländischen Produktionskapazitäten zur Batterieherstellung beflügeln, bei der Lithium als wichtige Vorleistung einfließt.

DV-Geräte, Elektronik, Optik

Die Produktgruppe DV-Geräte, Elektronik und Optik hat in den bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Argentinien und Deutschland von 2012 bis 2022 minimal an Bedeutung verloren. In diesem Zeitraum ist der Wert der deutschen Ausfuhr durchschnittlich um -0,2 Prozent p. a. auf rund 200 Millionen Euro gesunken. Mit diesem vergleichsweise geringen Exportwert zählt Deutschland nicht zu den Hauptakteuren auf dem argentinischen Importmarkt. Der Großteil der Importnachfrage wird durch China (36 %), die USA (25 %) und Vietnam (10 %) gedeckt. Mögliche Absatzchancen für deutsche Medizintechnik können sich im Rahmen des Regierungsprojektes zur Stärkung des Gesundheitssektors mit einem finanziellen Umfang von 1,7 Milliarden US-Dollar ergeben. Dennoch dämpfen die hohe Inflation sowie Importrestriktionen nicht nur in der Medizintechnik die Chancen in Argentinien für ausländische Zulieferer.

Metallerzeugnisse

Die deutsche Ausfuhr in der Produktgruppe Metallerzeugnisse konnte zwischen 2012 und 2022 mit durchschnittlich 0,9 Prozent p. a. zulegen. Mit einem Warenwert von rund 100 Millionen Euro bediente Deutschland zuletzt rund 7 Prozent der argentinischen Importnachfrage. Über die größten Marktanteile verfügen China mit 28 Prozent und Brasilien mit 25 Prozent. Die argentinische Baubranche leidet - wie der Rest der Wirtschaft - unter der Inflation und den stark gestiegenen Kosten. Dennoch können sich für deutsche Produzenten im Bereich Metallerzeugnisse Absatzmöglichkeiten in Argentinien ergeben. Beispielsweise plant die Regierung alte Eisenbahntrassen zu reaktivieren, um einen größeren Teil des Personen- und Güterverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Für den Güterverkehr sind Investitionen in Höhe von rund 900 Millionen Euro geplant. Zusätzlich ist etwa der Bau einer neuen U-Bahn-Linie in Buenos Aires für ca. 2 Milliarden US-Dollar geplant. Entsprechend dürfte die argentinische Importnachfrage nach Metallerzeugnissen über die kommenden Jahre überdurchschnittlich anziehen.

Argentinien als Investitionsstandort


Die Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen in Argentinien sind überdurchschnittlich stark gestiegen. Im Zeitraum von 2011 bis 2021 legten sie um nahezu 75 Prozent zu – mehr als die deutschen Auslandsinvestitionen insgesamt – und erreichten zuletzt ein Niveau von 3,8 Milliarden Euro. Somit fließen 0,3 Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen nach Argentinien.

Deutsche Investitionen in Argentinien werden durch das Investitionsschutzabkommen von 1993 abgesichert. Die zentralen Standortvorteile sind die großen natürlichen Ressourcen des Landes und das vergleichsweise hohe Bildungsniveau der Erwerbstätigen. In Argentinien verfügt mehr als jede bzw. jeder Vierte über einen tertiären Bildungsabschluss. Gleichzeitig wirken sich die hohe Steuerlast, hohe Inflationsraten sowie die Abwanderung von Fachkräften negativ auf die Rahmenbedingungen in Argentinien aus.

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