Zukünftige Entwicklungen in Bayern

Das Angebot an und die Nachfrage nach Arbeitskräften sind bis 2035 rückläufig. In den meisten Berufen entstehen Arbeitskräfteengpässe.

Determinanten von Angebot und Nachfrage

Die Arbeitskräftenachfrage hängt grundlegend von der Entwicklung der zu leistenden Bruttowertschöpfung und der (Arbeits-)Produktivität ab. Die Entwicklung der Bruttowertschöpfung ist wiederum durch den privaten Konsum, den Staatskonsum, die Investitionen sowie die Exporte und Importe bestimmt [2]. Mit Blick auf das Wirtschaftswachstum gehen wir davon aus, dass die Konjunktur nach dem aktuellen Einbruch im Jahr 2024 wieder anspringt. Bis zum Jahr 2030 wird die Wirtschaft in Deutschland im Mittel um jährlich etwa 1,0 Prozent wachsen. Im Zeitraum zwischen 2030 und 2035 liegt das jährliche Wachstum dann lediglich bei etwa 0,8 Prozent. Vor allem aufgrund von Fortschritten in der Produktivität wird die Arbeitskräftenachfrage in Deutschland und Bayern trotz dieses wirtschaftlichen Wachstums bis zum Jahr 2035 sinken. Die Produktivitätsfortschritte sind wie bereits in der Vergangenheit insbesondere auf technologische Entwicklungen zurückzuführen. Wesentlicher Treiber sind in den kommenden Jahren die fortschreitende Digitalisierung und damit einhergehend auch die verstärkte Automatisierung von Arbeitsprozessen [3]. Zwischen den einzelnen Branchen gibt es mit Blick auf die Arbeitskräftenachfrage jedoch deutliche Unterschiede. In einigen kommt es zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage, in anderen zu einem leichten Zuwachs.

Die branchenspezifische Nachfrage beeinflusst wiederum direkt die Arbeitskräftenachfrage nach einzelnen Berufen, da in jeder Branche eine spezifische Mischung von Beschäftigten aus verschiedenen Berufen tätig ist. So arbeiten im Fahrzeugbau beispielsweise sowohl Beschäftigte mit einem technischen Hintergrund im Maschinenbau, als auch Beschäftigte aus den Bereichen IT und Unternehmensorganisation. Im Gesundheitswesen ist der Anteil der Beschäftigten mit einem solchen technischen Hintergrund hingegen deutlich kleiner. Aufgrund des technischen Fortschrittes und der damit verbundenen Veränderungen der Anforderungsprofile an die Beschäftigten ändert sich im Laufe der Zeit jedoch auch die Zusammensetzung der Berufe innerhalb der einzelnen Branchen. In der zugrunde liegenden Studie werden diese Zusammenhänge bei der Ableitung der berufsspezifischen Arbeitskräftenachfrage in den verwendeten Rechenmodellen berücksichtigt.

Das Arbeitskräfteangebot hingegen wird hauptsächlich durch die Entwicklung der erwerbsfähigen Bevölkerung und somit auch durch die Bevölkerungsentwicklung bestimmt. Grundlage der Prognose ist die 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland und die Bundesländer. Wir verwenden die mittlere Variante (G2L2W2) bezüglich der Annahmen zu Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungssaldo. Im Betrachtungszeitraum wird die Höhe der Gesamtbevölkerung in Bayern weiter steigen. Dennoch nimmt die erwerbsfähige Bevölkerung aufgrund des demografischen Wandels im selben Zeitraum ab. Eine zentrale Rolle bei der Modellierung der Struktur des zukünftigen Arbeitskräfteangebotes spielt darüber hinaus die Altersgruppe der 30- bis 35-Jährigen. Diese Altersgruppe dient als Referenz für die zukünftigen Präferenzen in Bezug auf die Berufswahl der nachfolgenden Generationen, denn insbesondere Menschen mit einem akademischen Bildungshintergrund haben häufig vor dem 30. Lebensjahr ihre (formale) Ausbildung noch nicht abgeschlossen.

Im berechneten Basisszenario werden die aktuellen Präferenzen über den gesamten Betrachtungszeitraum bis 2035 konstant gehalten – sowohl in Bezug auf die Berufswahl als auch in Bezug auf alters- und geschlechtsspezifische Erwerbsquoten und Arbeitszeiten. Dies ermöglicht die Modellierung eines Szenarios, das beschreibt "was passiert, wenn nichts passiert". Anhand dieser Ergebnisse können Handlungsfelder und Maßnahmen identifiziert werden, um potenziell entstehende Ungleichgewichte zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage abzumildern.

Unter den beschriebenen Veränderungen der Rahmenbedingungen hat sich seit der zuletzt veröffentlichten Studie insbesondere die für die Prognosen zentrale Bevölkerungsvorausberechnung deutlich verändert. So wurde in der zuletzt verwendeten 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung noch davon ausgegangen, dass die Bevölkerungszahl in Bayern Anfang der 2030er Jahre mit rund 13,4 Millionen Menschen ihren Höchststand erreicht und danach auf diesem Niveau stagniert. Gemäß der aktualisierten 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird hingegen auch zwischen 2030 und 2035 mit einem weiteren Anstieg der bayerischen Gesamtbevölkerung gerechnet. Entsprechend leben im Jahr 2035 etwa 400.000 Personen mehr in Bayern als noch in der letzten Studie unterstellt (Abbildung 2).

Bei der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beläuft sich der Unterschied zwischen der 14. und der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung im Jahr 2035 auf plus 300.000 Personen – mit entsprechenden Konsequenzen mit Blick auf das Arbeitskräfteangebot, aber auch auf die Arbeitskräftenachfrage. Grund für diese Abweichung zwischen der 14. und 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung ist insbesondere die stärkere Zuwanderung nach Deutschland in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Auch für die Zukunft rechnet das Statistische Bundesamt in der aktualisierten Bevölkerungsvorausberechnung mit einer höheren Nettozuwanderung als in früheren Vorausberechnungen. Aussagen über den zukünftigen Verbleib der aus der Ukraine geflüchteten Menschen werden in der Bevölkerungsvorausberechnung naturgemäß nicht getroffen. Da dieser Aspekt mit hohen Unsicherheiten verbunden ist, ist auch die Bevölkerungsvorausberechnung mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren und abweichende Entwicklungen sind möglich.

Abbildung 2
Verlauf der 15. Bevölkerungsvorausberechnung (indexiert) und Differenz zur 14. Bevölkerungsvorausberechnung (Tsd.) bis 2035


[2] Mit Blick auf den privaten Konsum unterstellen wir, dass dieser aufgrund der angespannten Lage bezüglich der Verfügbarkeit von Fachkräften und einer (mittelfristig) daraus resultierenden Zunahme der Reallöhne positiv auf die Nachfrage wirken wird. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der fiskalpolitischen „Schuldenbremse“ rechnen wir beim Staatskonsum hingegen eher mit einer Dämpfung. Dies gilt auch für die Investitionen, wenngleich der Pro-Kopf-Kapitalstock im Wohnungsbau weiter ansteigt. Bei den Export- und Importquoten (gemessen jeweils als Anteil am Bruttoinlandsprodukt) rechnen wir auch zukünftig mit weiter steigenden Anteilen.

[3] In den Szenariorechnungen werden die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung auf die Arbeitskräftenachfrage berücksichtigt. Beispielsweise mit Blick auf den viel diskutierten Bereich der Künstlichen Intelligenz sind die tatsächlichen Auswirkungen auf die Arbeitskräftenachfrage derzeit aber noch nicht vollständig abzuschätzen – sowohl mit Blick auf die Geschwindigkeit als auch das Ausmaß der Effekte. Das gilt insbesondere für die Frage, in welchem Umfang auch neue Tätigkeiten aufgrund dieser Entwicklungen entstehen und Arbeitskräfte binden werden. Daher setzen wir auch bei der Nachfrage von davon besonders betroffenen Berufsgruppen (beispielsweise Steuerberatung etc.) eher konservative Annahmen bezüglich der damit einhergehenden Substituierbarkeit von Arbeitskräften.

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