Gesamtwirtschaftliche Prognose

Vietnam zählt zu den wirtschaftlich dynamischsten ASEAN-Ländern und zu den aufstrebenden Schwellenländern⁠ Asiens. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 340 Milliarden Euro im Jahr 2023 ist das Land die fünftgrößte Volkswirtschaft unter allen ASEAN-Staaten. Lediglich Indonesien, Thailand, die Philippinen und Malaysia haben ein noch höheres Bruttoinlandsprodukt. Die vietnamesische Wirtschaft dürfte von 2023 bis 2030 um durchschnittlich 6,7 Prozent p. a. wachsen – Vietnam hat damit das höchste Wirtschaftswachstum aller ASEAN-Staaten. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner dürfte von rund 3.400 Euro im Jahr 2023 auf rund 5.200 Euro im Jahr 2030 steigen. Vietnam hat damit hinter Singapur (57.000 Euro im Jahr 2023), Malaysia (10.800 Euro), Thailand (6.000 Euro), und Indonesien (3.800 Euro) das fünfthöchste BIP je Einwohner im ASEAN-Raum.

Demografische Entwicklung

Die Einwohnerzahl Vietnams beträgt heute rund 100 Millionen Personen und wird weiter leicht wachsen. Vietnam verfügt über eine im Durchschnitt junge Bevölkerungsstruktur. Gleichwohl hat ein leichter Alterungsprozess eingesetzt: Während im Zeitraum von 2023 bis 2030 der Anteil der über 65-Jährigen um 3 Prozentpunkte steigt, geht die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter leicht zurück. Insgesamt sorgt die junge und wachsende Bevölkerung für ein gutes Arbeitskräfteangebot für die Unternehmen im Land und stützt die Binnennachfrage.


Außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Handel zwischen Vietnam und Deutschland sind derzeit durch das 2020 in Kraft getretenen EU-Vietnam-Freihandelsabkommen (EUVFTA) geregelt. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens können 65 Prozent der EU-Erzeugnisse zollfrei nach Vietnam exportiert werden und über 60 Prozent der vietnamesischen Erzeugnisse zollfrei in die EU. Die restlichen Zölle sollen bis spätestens 2030 schrittweise ebenfalls abgebaut werden. Ausgenommen sind bestimmte Agrarprodukte. Auch viele nichttarifäre Handelshemmnisse fallen durch das Abkommen weg, etwa im Hinblick auf technische Produkteigenschaften. Vietnam ist zudem ASEAN-Mitglied, was dem Land u. a. einen fast vollständig zollfreien Handel mit den übrigen ASEAN-Staaten erlaubt. Zudem verfügt Vietnam über zahlreiche weitere Freihandelsabkommen, darunter das 2022 in Kraft getretene RCEP-Abkommen, das die weltgrößte Freihandelszone bildet.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Bei den institutionellen Rahmenbedingungen schneidet Vietnam im Vergleich mit anderen ASEAN-Staaten unterdurchschnittlich ab. Als wichtige Standortvorteile nennt zwar etwa Germany Trade & Invest (gtai) die junge, bildungsorientierte und konsumfreudige Bevölkerung, das attraktive Investitionsumfeld, der hohe Zufluss ausländischer Investitionen und die niedrigen Lohnkosten. Der Mangel an ausgebildeten Fachkräften, die weit verbreitete Korruption, hohe Logistikkosten und Infrastrukturlücken werden hingegen als hemmende Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes genannt.

Politische Rahmenbedingungen

Gemäß Verfassung ist Vietnam eine sozialistische Republik, die durch die kommunistische Einheitspartei regiert wird. Das Land wird, ähnlich wie China, seit Jahrzehnten von einem autoritären Regime geführt. Insgesamt gelten die politischen Rahmenbedingungen als sehr stabil. Im Vergleich zu anderen, demokratisch verfassten Ländern der Region sind die Bürgerrechte, Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Judikative eingeschränkt. Zuletzt trat Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc im Januar 2023 nach weniger als zwei Jahren im Amt zurück. Seit Anfang März 2023 führt stattdessen Vo Van Thuong für eine Amtszeit von fünf Jahren die Amtsgeschäfte.

Exportchancen in Vietnam im Fokus

Vietnam ist für Deutschland ein großer und schnell wachsender Potenzialmarkt. Zwischen 2012 und 2022 stieg die deutsche Ausfuhr nach Vietnam um 5,7 Prozent p. a. – und damit um mehr als 2 Prozentpunkte schneller als die deutsche Ausfuhr insgesamt. Im Jahr 2022 lag ihr Wert bei rund 3 Mrd. Euro. Damit ist die Bedeutung des Absatzmarktes für Deutschland nach wie vor gering: Insgesamt entfallen rund 0,2 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhr auf Vietnam. Im Vergleich mit allen übrigen deutschen Handelspartnern lag das Land 2022 auf Rang 50.

In den kommenden Jahren bis 2030 wird mit einem relativ hohen Wachstum der vietnamesischen Importnachfrage insgesamt gerechnet. Sie dürfte um durchschnittlich 5,9 Prozent p. a. steigen. Besonders dynamisch dürfte die vietnamesische Importnachfrage nach DV-Geräten, Elektronik, Optik und Elektrischen Ausrüstungen zulegen.

Kraftwagen und Kraftwagenteile

Die deutsche Ausfuhr von Kraftwagen und Kraftwagenteilen nach Vietnam ist zwar in den letzten Jahren mit durchschnittlich 18 Prozent p. a. sehr dynamisch gewachsen, bewegt sich aber nach wie vor auf einem relativ geringen Niveau. Das liegt u. a. an den bisher hohen Handelshemmnissen. So fallen bisher hohe Einfuhrzölle von bis zu 70 Prozent und weitere sehr hohe Sonderverbrauchssteuern von bis zu 150 Prozent an. Lediglich für den Import von zerlegten Kraftfahrzeugen (CKD) gelten deutlich günstigere Zollbegünstigungen. Durch das Freihandelsabkommen sinken die Zollsätze jedoch in den kommenden Jahren spürbar. So halbiert sich der Zollsatz für Pkw ab 2025 auf 35 Prozent. Es wird erwartet, dass damit die deutschen Oberklasse- und Mittelklassefahrzeuge etwa gegenüber Importerzeugnissen aus dem ASEAN-Raum oder auch gegenüber China und Südkorea – den wichtigsten Importeuren derzeit – spürbar an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Darüber hinaus steigen auch die inländischen Produktionskapazitäten der vietnamesischen Automobilindustrie. In der Regel kooperieren dabei ausländische Firmen als Joint Venture mit lokalen Partnern, letztere als Minderheitseigner. Bisher beruhen die meisten hergestellten Fahrzeuge weitgehend auf der Montage von importierten CKD-Bausätzen. Die heimische Firma Vinfast stellt eine Ausnahme dar, die selbst Fahrzeuge entwickelt und mittlerweile auch exportiert. Es wird damit gerechnet, dass die Automobilproduktion in Vietnam in den kommenden Jahren spürbar wächst. Dies eröffnet dann auch deutschen Exporteuren von Fahrzeugteilen neue Marktchancen.

Maschinen und Maschinenteile

Insgesamt sind aus deutscher Perspektive Maschinen und Maschinenteile bei der Ausfuhr nach Vietnam die wichtigste Produktgruppe. Gleichwohl beläuft sich der deutsche Marktanteil auf dem vietnamesischen Importmarkt auf lediglich rund 3 Prozent. China ist mit großem Abstand Marktführer in diesem Bereich: Insgesamt stammt die Hälfte der vietnamesischen Einfuhr von Maschinen im Jahr 2021 aus China. Weitere wichtige Player sind Südkorea und Japan. Heimische Maschinenbauunternehmen gibt es in Vietnam bisher kaum, bisher wird fast der komplette Bedarf importiert. Lediglich bei landwirtschaftlichen Geräten und Baumaschinen gibt es ein heimisches Angebot. Wir gehen davon aus, dass auch künftig die industriellen Produktionskapazitäten in Vietnam deutlich wachsen, entsprechend dürfte auch der Importbedarf an Maschinen und Anlagen insgesamt weiter dynamisch zunehmen. Eine wichtige Rolle für vietnamesische Kunden von Maschinen stellen ein zuverlässiges Vertriebsnetz und ein umfassender After-Sales-Service dar.

Elektrische Ausrüstungen

Im Produktbereich Elektrische Ausrüstungen hat Deutschland im Jahr 2021 auf dem vietnamesischen Importmarkt einen Marktanteil von rund 3 Prozent. Auch hier ist der Abstand zum Marktführer China – der einen Anteil von 63 Prozent hat – gewaltig. Die vietnamesische Regierung hat kürzlich den Power Development Plan 8 angenommen. Er definiert den Energiemix sowie den Strom- und Netzausbaubedarf des Landes bis 2030. Langfristig sollen Photovoltaik und Wind die heute noch dominierenden Energiequellen Kohle und Gas ablösen. Zudem wächst der Strombedarf aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums und des steigenden Wohlstandsniveaus in den kommenden Jahren insgesamt stark an, wodurch die Energienetze ausgebaut und modernisiert werden müssen.

DV-Geräte, Elektronik, Optik

Die Branche DV-Geräte, Elektronik, Optik stellt mittlerweile die vietnamesische Schlüsselindustrie dar. Insbesondere in den Bereichen Smartphones, Computer sowie elektronische Komponenten gehört Vietnam zu den wichtigsten Exporteuren weltweit. Der Elektrostandort Vietnam zeichnet sich durch die Präsenz von ausländischen globalen Playern wie Samsung, Intel, Qualcomm und Foxconn aus. Im Windschatten dieser Unternehmen konnten sich jedoch auch einige wenige einheimische Unternehmen zu großen Unternehmenskonglomeraten entwickeln, wie die Vingroup-Tocher Vinsmart oder der staatliche Mobilfunk- und Technologiekonzern Viettel. Vietnam ist bisher vor allem ein Montagestandort. Deutsche Exporteure aus dem Bereich DV-Geräte, Elektronik, Optik sind bisher noch wenig in Vietnam aktiv, der deutsche Importmarktanteil liegt bei lediglich 0,3 Prozent. Chancen könnten sich zum einen für deutsche Zulieferer von Komponenten ergeben. Zudem nimmt aufgrund der Alterung der Gesellschaft und des steigenden Wohlstands der Bedarf an medizinischen Geräten dynamisch zu. Da Vietnam hier kaum selbst produziert, könnten sich auch für deutsche Anbieter Absatzchancen ergeben.

Metallerzeugnisse

Auch im Produktbereich Metallerzeugnisse spielt Deutschland auf dem vietnamesischen Einfuhrmarkt mit einem Marktanteil von 1 Prozent (2021) eine Nebenrolle. Insgesamt hat Vietnam im Bereich Metallerzeugnisse ein großes Potenzial – denn die einheimische Konkurrenz ist bisher noch wenig entwickelt. So produziert etwa die vietnamesische Stahlindustrie weniger Spezialstahl, als im Land verbraucht wird. Vor diesem Hintergrund steigt die Importnachfrage für Vorprodukte aus dem Ausland dynamisch an.

Vietnam als Investitionsstandort


Die deutschen Direktinvestitionen in Vietnam haben sich seit 2011 mehr als verdreifacht und sind damit im Vergleich mit anderen ASEAN-Staaten überdurchschnittlich stark angestiegen. Mit einem Investitionsvolumen von nunmehr 1,4 Milliarden Euro bleibt der Anteil an den deutschen Gesamtinvestitionen jedoch bei geringen 0,1 Prozent.

Der zuletzt starke Anstieg an Investitionen zeigt zum einen, dass das hohe Wirtschaftswachstum die Attraktivität des Investitionsstandorts Vietnam erhöht hat. Darüber hinaus wirkt sich das vergleichsweise liberale Investitionsregime positiv aus: Das Freihandelsabkommen hat Barrieren reduziert und sorgt für ein Mehr an Rechtssicherheit. Zudem profitieren ausländische Investoren in ausgewählten Wirtschaftsbereichen (z. B. in der Hochtechnologie, den erneuerbaren Energien, und im Maschinenbau) von staatlichen Förderprogrammen für die Modernisierung der industriellen Produktionskapazitäten. Zu den bremsenden Faktoren, die die Attraktivität Vietnams als Investitionsstandort etwas schmälern, gehört der zunehmende Fachkräftemangel. Dazu kommen die teils nur mangelhaft ausgebaute Infrastruktur, die weitverbreitete Korruption, eine oft nur langsam arbeitende Bürokratie und die trotz Freihandelsabkommen weiterhin nur bedingt gegebene Rechtssicherheit.

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