Länderfactsheets

Belgien

Wirtschaftspolitik

Seit dem Jahr 2020 ist Alexander de Croo Premierminister Belgiens. Nach langwierigen Verhandlungen aufgrund der zersplitterten Parteienlandschaft wurde eineinhalb Jahre nach der Parlamentswahl eine sozialliberale Koalition mit sieben Parteien gebildet. Obwohl die flämischen Nationalisten bei der Wahl die stärkste Kraft wurden, sind sie nicht an der Regierung beteiligt. Das sorgte für Proteste im Land. Die Regierung plant einen ökologischen Modernisierungskurs – Fahrzeuge, die keine THG-Emissionen verursachen, mehr Schienenverkehr – und den Atomausstieg bis zum Jahr 2025.

Demografie und Arbeitsmarkt

In Belgien leben derzeit 11,6 Millionen Menschen (2020). Obwohl die Bevölkerung seit Jahren aufgrund der hohen Migration wächst und bis zum Jahr 2040 anders als viele andere EU-Länder ein leichtes Plus verzeichnet, altert sie in den nächsten 20 Jahren zunehmend. Mit einem Altenquotient von 43 Prozent im Jahr 2040 werden langfristig auf eine*n über 64-Jährige*n nur gut zwei Personen im erwerbsfähigen Alter kommen (2020: 30 %). Der demografische Wandel lässt Belgiens Erwerbspersonenpotenzial künftig leicht schrumpfen bei gleichzeitig steigender Nachfrage nach Arbeitskräften seitens der Wirtschaft. Wir erwarten in der Folge höhere Erwerbsquoten (gerade bei den über 55-Jährigen) und einen deutlichen Rückgang der Erwerbslosenquote von 6,7 Prozent (2020) auf 3 Prozent (2040). In der Folge sinkt damit auch die derzeit noch hohe Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

In den vergangenen Jahren verzeichnete die belgische Volkswirtschaft solide Wachstumsraten. Im Jahr 2019 wuchs das BIP noch mit 1,7 Prozent. Aufgrund der großen außenwirtschaftlichen Offenheit zählt Belgien zu den Ländern, die nicht nur gesundheitlich von der COVID-19-Pandemie stark getroffen wurden, sondern auch von dem pandemiebedingten Einbruch der Weltwirtschaft. Mit der Erholung des internationalen Handels findet die belgische Volkswirtschaft zügig wieder zu ihrer im EU-Vergleich recht dynamischen Wachstumsentwicklung zurück. Der Druck des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt ist noch geringer als in anderen EU-Ländern, in denen die Auslastung auf dem Arbeitsmarkt schon heute sehr hoch ist. U. a. aufgrund der vergleichsweise günstigen demografischen Rahmenbedingungen rechnen wir bis 2040 mit einem kräftigen Wachstum des BIP von durchschnittlich 2,1 Prozent p. a., wobei sich die Wachstumsdynamik im Zeitverlauf abschwächt.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Die Binnennachfrage ist der Wachstumsmotor der belgischen Wirtschaft. Der Konsum der privaten Haushalte, der Staatskonsum und Investitionen treiben die künftige Wirtschaftsentwicklung Belgiens an. Bevölkerungswachstum, erhöhter Beschäftigungsstand, Lohnsteigerungen und eine überdurchschnittliche Investitionsdynamik vor allem in Ausrüstungen fördern Belgiens langfristiges Wachstum im Inland auf breiter Basis.

Wirtschaftsstruktur

Der Schwerpunkt der belgischen Wirtschaft liegt derzeit mit einem Anteil von mehr als drei Vierteln der Bruttowertschöpfung noch stärker auf dem Dienstleistungssektor als in anderen Industrieländern. In den kommenden zwei Dekaden gewinnt der Sektor noch einmal leicht an Bedeutung. Das produzierende Gewerbe (inkl. Bau), auf das heute 23 Prozent (2020) der generierten Wirtschaftsleistung entfallen, verliert in diesem Zuge leicht (2040: 22 %). Die Landwirtschaft fällt bereits heute kaum ins Gewicht.

Branchenentwicklung

Die Chemie- und Pharmaindustrie ist der wichtigste Zweig des belgischen verarbeitenden Gewerbes und zählt zu den weltweiten Marktführern auf diesen Gebieten. Sie erwirtschaftete im Jahr 2020 gut 4 Prozent der Bruttowertschöpfung und beschäftigte rund 2 Prozent der Erwerbstätigen im Land. Derzeit profitiert die Branche von der Produktion der COVID-19-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und AstraZeneca. Auch langfristig erwarten wir für Belgiens Chemie- und Pharmaindustrie ein überdurchschnittliches Wachstum, wozu auch die geplanten Großinvestitionen internationaler Chemieunternehmen beitragen. Eine hohe Dynamik mit durchschnittlichen Bruttowertschöpfungszuwächsen von über 2,3 Prozent pro Jahr im Zeitraum von 2020 bis 2040 erwarten wir außerdem in der Elektroindustrie und im Maschinenbau sowie in Teilen des Dienstleistungssektors.

Staatsfinanzen

Belgiens Budgetsaldo ist seit Jahren negativ. Obwohl die Schuldenstandsquote, nachdem sie infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 auf rund 105 Prozent angestiegen war, in den letzten Jahren wieder sank, war sie bereits vor der COVID-19-Pandemie mit 98 Prozent im Jahr 2019 immer noch sehr hoch. Durch die zusätzlichen pandemiebedingten staatlichen Ausgaben und Einnahmeausfälle stieg die Verschuldung weiter und erreichte im Jahr 2020 114 Prozent. Nach diesem kurzen krisenbedingten Anstieg gehen wir davon aus, dass die Schuldenstandsquote nach und nach auf 85 Prozent im Jahr 2040 sinkt. Trotz langfristig negativer Budgetsalden ermöglicht die künftige gesamtwirtschaftliche Dynamik in Belgien zumindest eine geringe Senkung der Schuldenstandquote. Eine nachhaltige Verbesserung der Staatsfinanzen und die Erfüllung der Maastricht-Kriterien hinsichtlich einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent erwarten wir für die kommenden 20 Jahre in Belgien gleichwohl nicht.

Außenhandel

Der belgische Außenhandel wächst seit Jahren und wird auch in den kommenden zwei Dekaden weiter anziehen. Im Jahr 2040 werden Exporte und Importe in Summe mehr als doppelt so hoch ausfallen wie Belgiens Wirtschaftsleistung insgesamt. Im internationalen Vergleich leicht steigende Lohnstückkosten dämpfen die Exportdynamik allerdings etwas. Zu den wichtigsten belgischen Handelsgütern zählen Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile. Belgien pflegt vor allem zu seinen Nachbarländern enge Außenhandelsbeziehungen: Nach dem Haupthandelspartner Niederlande (2020: über 13 %) folgen Deutschland mit einem Anteil von über 12 Prozent und Frankreich mit rund 9 Prozent im Jahr 2020. Wichtige außereuropäische Handelspartner Belgiens sind vor allem die USA auf der Importseite und Indien auf der Exportseite. Indien wird als Absatzmarkt zunehmend wichtiger und überholt langfristig Deutschland als zweitwichtigsten Exportmarkt knapp. Im Jahr 2040 werden rund 13 Prozent der belgischen Exporte in das südasiatische Schwellenland gehen.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Belgien ist seit vielen Jahren ein wichtiger Logistik- und Produktionsstandort. Die zentrale Lage in Mitteleuropa, die geografische Nähe zu den wirtschaftsstärksten EU-Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich sowie eine hervorragende Forschungslandschaft fördern die Attraktivität Belgiens. Jedoch unterscheiden sich die belgischen Regionen untereinander stark. Durch zunehmende Autonomieforderungen und Dezentralisierungsprozesse sind die Verwaltungsstrukturen komplexer geworden. Dadurch werden nicht nur Reformprozesse verlangsamt, sondern auch Unternehmen zusätzliche Hürden in den Weg gestellt.

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