Länderfactsheets

Tschechien

Wirtschaftspolitik

Die Tschechische Republik wird seit 2017 von einer Minderheitenregierung unter Ministerpräsident Andrej Babiš geführt. In seinem Wahlkampf konnte er vor allem Wähler*innen der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien für sich gewinnen. Seine Partei ANO 2011 lässt sich nur schwer in das klassische Links-Rechts-Spektrum einordnen und wird oft als Unternehmer-Partei bezeichnet, da der Geschäftsmann Babiš Tschechien wie ein Unternehmen führen will. Wirtschaftspolitisch stand für ihn bisher die Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund. Aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels werden nun jedoch in erster Linie höherwertige Wertschöpfungssegmente gefördert, um Lohnniveau und Lebensstandard anzuheben.

Demografie und Arbeitsmarkt

Tschechiens dynamisches Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre wird nicht weiter anhalten. Aufgrund des fortschreitenden demografischen Wandels erwarten wir einen leichten Rückgang um insgesamt 0,8 Prozent auf 10,6 Millionen Menschen im Jahr 2040. Lediglich die Gruppe der über 64-Jährigen wächst bis 2040 mit jahresdurchschnittlich 1,1 Prozent, während die jüngeren Altersgruppen schrumpfen. Der Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter wirkt sich schon heute auf den tschechischen Arbeitsmarkt aus. Mit 2 Prozent (2019) ist die Erwerbslosenquote so niedrig wie in keinem anderen EU-Land, es herrscht akuter Fachkräftemangel. Um diesen zu decken, greift Tschechien bereits heute auf Arbeitskräfte v. a. aus der Ukraine zurück. Langfristig schrumpft das Erwerbspersonenpotenzial weiter, während die Nachfrage nach Arbeitskräften wächst. Auch die fortschreitende Automatisierung der Wirtschaft kann die Personalknappheit am Arbeitsmarkt nicht hinreichend abfangen. Potenzial zur Steigerung des Arbeitskräfteangebots ergibt sich durch die im europäischen Vergleich niedrige Frauenerwerbstätigkeit.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Tschechien gehörte vor der COVID-19-Pandemie zu den europäischen Ländern mit der höchsten Wachstumsdynamik. Im Jahr 2019 wuchs die Volkswirtschaft um 2,3 Prozent und die Erwerbslosenquote war auf einem Rekordtief. Auch während der Pandemie konnte der hohe Beschäftigungsstand mit dem Regierungsprogramm „Antivirus“ gehalten werden. Tschechien wird aufgrund der soliden Ausgangslage schon ab dem Jahr 2021 an das Wirtschaftswachstum vor der Krise anknüpfen können. In den nächsten Dekaden hemmt der Arbeits- und Fachkräftemangel die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Wir erwarten, dass das jährliche Wachstum der tschechischen Wirtschaftsleistung langfristig kontinuierlich abflacht auf 0,9 Prozent im Jahr 2040.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Wichtigster Wachstumsmotor ist in Tschechien die Binnennachfrage. Mit 46 Prozent wirkt sich vor allem der private Konsum auf das Wachstum aus und das bleibt im Zuge kontinuierlicher Lohnsteigerungen auch langfristig so. Gefördert von den Corona-krisenbedingten staatlichen Investitionsprogrammen erwarten wir außerdem einen Anstieg des staatlichen Konsums und der staatlichen Investitionen. Demgegenüber stehen die gewerblichen Investitionen, die in den kommenden Dekaden einen geringeren Wachstumsbeitrag leisten. Tschechien ist eine offene und exportorientierte Volkswirtschaft, sodass auch der Außenbeitrag eine wichtige Rolle für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Landes spielt. Vor allem die zunehmende Importnachfrage aus Schwellenländern kurbelt langfristig die Nettoexporte an, die im Zeitraum von 2020 bis 2040 mit 21 Prozent einen spürbaren Wachstumsbeitrag leisten.

Wirtschaftsstruktur

Die tschechische Wirtschaftsstruktur entspricht grundsätzlich dem typischen Muster dienstleistungsorientierter Industrienationen. Das produzierende Gewerbe inkl. der Bauwirtschaft macht ein gutes Drittel der Bruttowertschöpfung aus, auf Dienstleistungen entfallen knapp zwei Drittel. Die restlichen knapp 2 Prozent der tschechischen Bruttowertschöpfung werden von der Landwirtschaft generiert. In den kommenden Dekaden erwarten wir nur geringfügige Änderungen in dieser Struktur. Das Gewicht des tertiären Sektors steigt bis zum Jahr 2040 leicht an, allerdings weniger stark als in den meisten anderen Industrienationen.

Branchenentwicklung

Der Kraftwagenbau ist Tschechiens stärkste Industriebranche und Rückgrat der Wirtschaft. Mit jahresdurchschnittlichen Zuwächsen der Bruttowertschöpfung von 2,1 Prozent erwarten wir hier bis zum Jahr 2040 ein leicht überdurchschnittliches Wachstum. Die stärkste Dynamik weisen allerdings die unternehmensnahen Dienstleistungen und die IKT-Branche auf. Im Jahr 2040 werden auf diese beiden Branchen 15 Prozent der Bruttowertschöpfung (2020: 13 %) und 13 Prozent der Erwerbstätigen (2020: 12 %) entfallen. Absolut betrachtet sinkt aufgrund der demografischen Verschiebungen die Zahl der Beschäftigten in allen Branchen.

Produktivitäts- und Lohndynamik

Dass die Bruttowertschöpfung trotz Beschäftigungsrückgang steigt, liegt u. a. an Produktivitätsfortschritten. Sie fallen in der Industrie traditionell stärker aus als im Dienstleistungsbereich. In Tschechien sind Produktivitätssteigerungen allerdings in allen Branchen nötig, um das schrumpfende Erwerbspersonenpotenzial zumindest teilweise zu kompensieren. Der Fachkräfte- und Arbeitsmangel treibt das Lohnwachstum zusätzlich an. Bis 2040 prognostizieren wir einen durchschnittlichen Anstieg der Reallöhne von 1,4 Prozent pro Jahr. Höhere Löhne wirken sich positiv auf den privaten Konsum aus, mindern gleichzeitig aber die Attraktivität Tschechiens als Produktionsstandort für ausländische Firmen.

Außenhandel

Tschechien ist Nettoexporteur und stark eingebunden in internationale Lieferketten. In den letzten Jahren konnte das Land seine Handelsvolumina erheblich steigern. Dieser Trend führt sich in den kommenden Dekaden – trotz steigender Lohnstückkosten – fort und Tschechiens Handelsbilanzüberschuss kann sich bei einem Exportwachstum von 2,6 Prozent p. a. bis zum Jahr 2040 mehr als verdoppeln. Grund dafür ist insbesondere eine steigende Nachfrage aus Schwellenländern wie China, Indien oder Mexiko. Deutschland ist und bleibt der Haupthandelspartner Tschechiens, gefolgt von China (importseitig) bzw. Polen (exportseitig).

Institutionelle Rahmenbedingungen

Tschechien ist ein beliebter Produktionsstandort für ausländische Industrieunternehmen. Günstige Steuersätze und Fördermittel machen das Land attraktiv für Investitionen aus dem Ausland. Jedoch ist die Bürokratie schwerfällig und weitere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sind notwendig. Um der nachlassenden Qualität der Infrastruktur entgegenzuwirken, investiert Tschechien mithilfe europäischer Mittel schwerpunktmäßig in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

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