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Polen

Wirtschaftspolitik

Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verfolgt wirtschaftspolitisch den sogenannten „Morawiecki-Plan“. Durch ihn will die Regierung das Pro-Kopf-Einkommen erhöhen und gleichzeitig den sozialen, ökonomischen und territorialen Zusammenhalt stärken. Zentrale Ansatzpunkte sind Reindustrialisierung, Digitalisierung, Investitionen in Unternehmen und die Förderung benachteiligter Regionen. Für politische Unruhe sorgen die häufig angespannten Beziehungen zwischen Polen und der Europäischen Union. So gab es innerhalb der polnischen Regierung anhaltende Unstimmigkeiten bezüglich der Frage, ob bzw. inwiefern die Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds – und die damit einhergehenden Verpflichtungen – angenommen werden sollten.

Demografie und Arbeitsmarkt

Mit einer Einwohnerzahl von 38 Millionen (2020) ist Polen das bevölkerungsreichste EU-Mit­gliedsland in Mittelosteuropa. Bis zum Jahr 2040 schrumpft die polnische Bevölkerung auf rund 35 Millionen Einwohner. Der demografische Wandel schreitet rasch voran und lediglich der Anteil der über 64-Jährigen wächst in den kommenden Dekaden – um jahresdurchschnitt­lich 1,3 Prozent. Die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter sinkt dagegen deutlich. Dadurch steigt der Druck auf dem polnischen Arbeitsmarkt. Um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken, greift die Wirtschaft bereits auf Fachkräfte aus dem Ausland zurück. Zusätzliches Potenzial birgt die bessere Arbeitsmarktintegration von Berufsanfänger*innen und Frauen. Diese Gruppen tun sich bisher häufig schwer beim (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben. Wäh­rend der COVID-19-Pandemie stieg die Erwerbslosenquote aufgrund von stabilisierenden Konjunkturmaßnahmen im Rahmen des sogenannten „Anti-Krisen-Schildes“ der Regierung nur leicht an auf 3,8 Prozent (2020).

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Polen konnte in den letzten Jahren hohe gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten zwischen 3 und 5 Prozent verzeichnen. Nach dem Einbruch 2020 erwarten wir eine zügige gesamtwirtschaftliche Erholung mit einem Zuwachs des BIP im Jahr 2021 um 4,2 Prozent. An die hohe Wachstumsdynamik vor der COVID-19-Pandemie wird Polen aufgrund sich verschärfender struktureller Herausforderungen wie dem demografischen Wandel jedoch nicht anknüpfen können. In den nächsten Dekaden erwarten wir ein rückläufiges Wirtschaftswachstum, bis im Jahr 2040 eine sehr moderate Wachstumsrate von 1,0 Prozent erreicht wird, die noch leicht unter der Prognose für Deutschland liegt (2040: 1,1 %).

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Der Binnenkonsum ist der zentrale Wachstumstreiber der polnischen Volkswirtschaft. Vor allem der private Konsum hat mit einem Wachstumsbeitrag von über 50 Prozent bisher eine zentrale Rolle eingenommen. In den kommenden Dekaden fällt dieser Beitrag noch größer aus und wächst stärker als der von Staatskonsum und Investitionen. Der private Konsum wächst – gestärkt durch stetige Lohnsteigerungen und die geringe Arbeitslosigkeit – bis zum Jahr 2040 um jahresdurchschnittlich 1,9 Prozent und trägt über den gesamten Betrachtungszeitraum von 2020 bis 2040 knapp zwei Drittel zum langfristigen Wirtschaftswachstum bei. Vom Außenbeitrag gehen, anders als in der Vergangenheit, künftig nur noch schwache Impulse für Polens Wirtschaftsentwicklung aus, weil die Exportentwicklung an Dynamik verliert.

Wirtschaftsstruktur

Die polnische Volkswirtschaft wird derzeit, ebenso wie in den meisten anderen Industrienationen, zu zwei Dritteln vom Dienstleistungssektor dominiert. Das Land verfügt außerdem über eine starke Industrie: Mit einem Drittel liegt der Anteil von produzierendem Gewerbe und Bauwirtschaft über dem EU-Durchschnitt. In den kommenden Dekaden verlagert sich der Schwerpunkt geringfügig weiter weg von der Industrie hin zu den Dienstleistungen.

Branchenentwicklung

Das Rückgrat der polnischen Industrie bildet die Nahrungsmittelbranche mit einem Anteil von jeweils 3 Prozent (2020) an Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigen. Bis zum Jahr 2040 wächst die Branche mit 0,7 Prozent p. a. jedoch nur unterdurchschnittlich. In der polnischen Automobilindustrie sind viele internationale, darunter auch einige deutsche, Unternehmen tätig. Während die Branche von der COVID-19-Pandemie sehr hart getroffen wurde, entspannt sich die Lage bereits wieder und auch in den kommenden Dekaden wird die Branche leicht überdurchschnittlich wachsen. Die größte Dynamik entfalten, wie in den meisten anderen Industrieländern auch, die unternehmensnahen Dienstleistungen und die Informations- und Kommunikationsbranche mit jeweils 1,9 Prozent jahresdurchschnittlichem Wachstum bis 2040. Der demografische Wandel lässt die Anzahl der Beschäftigten in allen Branchen langfristig sinken.

Produktivitäts- und Lohnentwicklung

Auch in der langen Frist bis 2040 verzeichnet Polen mit durchschnittlich 2,2 Prozent p. a. vergleichsweise hohe Produktivitätszuwächse. Gleichwohl fallen die Produktivitätsfortschritte geringer aus als in der vergangenen Dekade. Der Mangel an Arbeitskräften ließ die Löhne bereits in der Vergangenheit merklich steigen. Dieser Trend setzt sich in den kommenden beiden Dekaden fort. Bis 2040 prognostizieren wir eine jährliche Reallohnsteigerung um durchschnittlich 2,3 Prozent. Das hat einen positiven Effekt auf den privaten Konsum. Gleichzeitig sorgen die steigenden Löhne aber dafür, dass die relativen Lohnstückkosten in Polen steigen und damit die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes sinkt.

Außenhandel

Der Außenhandel hat sich in den vergangenen Jahren sowohl import- als auch exportseitig sehr dynamisch entwickelt. Für die sehr dynamische Exportentwicklung waren u. a. die vergleichsweise geringen Lohnstückkosten und die ausgeprägte Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen, etwa im Fahrzeugbau, verantwortlich. Im Ergebnis wies Polen zuletzt einen Exportüberschuss auf. Auch künftig nehmen die polnischen Exporte zu. Gleichwohl führt u. a. die geringere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu geringeren Exportzuwächsen als in der Vergangenheit (2,8 % p. a. zwischen 2020 und 2040). Zudem lässt die steigende Binnennachfrage die Importe mit jahresdurchschnittlich 3 Prozent bis zum Jahr 2040 deutlich anziehen. Der Schwerpunkt des Außenhandels lag bisher auf den EU-Ländern, wobei Deutschland mit einem Anteil von über 20 Prozent (2020) Polens größter Handelspartner ist und auch bis zum Jahr 2040 bleibt. China ist mit einem Anteil an den polnischen Importen von 13 Prozent im Jahr 2020 schon heute ein wichtiges Lieferland. Bis 2040 steigt dieser Wert leicht an.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Vor allem für deutsche Unternehmen ist Polen seit Langem ein beliebter Produktionsstandort. Die geografische Nähe, ein großer – bisher dynamisch wachsender – Binnenmarkt, im EU-Vergleich niedrige Gehälter und gut ausgebildete Fachkräfte tragen zur Attraktivität bei. Gleichzeitig besteht ein zunehmender Mangel an Arbeitskräften, der den Lohnkostenvorteil der produzierenden Unternehmen mindert. Für Unruhe – insbesondere auf politischer Ebene – sorgen die anhaltenden Unstimmigkeiten zwischen der polnischen Regierung und der Europäischen Union. Diese entzünden sich insbesondere an dem Vorwurf, dass Polen wiederholt rechtsstaatliche Prinzipien missachte, woraufhin die Europäische Union mehrere Verfahren gegen Polen vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet hat. Es steht zu befürchten, dass sich der Abbau von rechtsstaatlichen Prinzipien langfristig negativ auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auswirkt.

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