Länderfactsheets

Italien

Wirtschaftspolitik

Seit Februar 2021 steht Mario Draghi, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, an der Spitze der italienischen Regierung. Seine Regierung vereint den Großteil der italienischen Parteienlandschaft in einer großen Koalition. Die Schwerpunkte des Draghi-Kabinetts reichen vom Umweltschutz über Bürokratieabbau und Digitalisierung bis zu einer Justizreform. Den nötigen finanziellen Spielraum zur Umsetzung dieser Reformen ermöglichen die Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds, aus dem Italien bis spätestens 2023 insgesamt rund 209 Milliarden Euro zustehen.

Demografie und Arbeitsmarkt

Seit 2018 sinkt die Bevölkerungszahl Italiens aufgrund des demografischen Wandels und der Abwanderung junger Menschen. Derzeit leben rund 60 Millionen Menschen (2020) in Italien, wovon bereits ein gutes Fünftel über 64 Jahre alt ist. Über die kommenden zwei Dekaden sinkt die Einwohnerzahl um insgesamt 5,5 Prozent auf 57 Millionen und der Anteil der über 64-Jährigen steigt auf 34 Prozent. Der Rückgang der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter prägt die künftige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Derzeit sind vor allem die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte in das europäische Ausland und die sehr hohe Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit problematisch. In der langen Frist geht die Erwerbslosenquote zurück und wir erwarten einen Anstieg des Arbeitsvolumens und der Arbeitszeit. Somit gelingt es Italien, die Zahl der Erwerbstätigen stabil zu halten und damit den Grundstein für ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu legen.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Seit einigen Jahren gestaltet sich die wirtschaftliche Situation in Italien schwierig. Seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 kämpft das Land mit einem geringen oder sogar negativen Wirtschaftswachstum. Durch die COVID-19-Pandemie ist Italien – neben Spanien – EU-weit wirtschaftlich am stärksten getroffen worden (2020: -7,5 %). Dennoch erwarten wir eine schnelle Erholung – vor allem getrieben durch den Zufluss an Mitteln aus dem EU-Wiederaufbaufonds, einen Anstieg der Investitionen und eine Zunahme der staatlichen Förderprogramme etwa im Bereich Industrie 4.0. Gleichwohl dauert es bis Ende 2022, bis die italienische Wirtschaftsleistung wieder das Vorkrisenniveau erreicht. In der langen Frist wächst die italienische Wirtschaft im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt dynamisch: Über den Zeitraum von 2020 bis 2040 beträgt das Wachstum des BIP durchschnittlich 1,9 Prozent pro Jahr. U. a. ist hier nach der Stagnation in den 2010er-Jahren ein gewisser Nachholeffekt bezüglich des Wirtschaftswachstums zu sehen. Gegen Ende des Prognosezeitraums wird das Wachstumstempo jedoch wieder geringer, da sich insbesondere die ungünstige demografische Entwicklung im Land dämpfend auswirkt.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Die Stützpfeiler der italienischen Wirtschaft waren in den vergangenen Jahren der private Konsum und der positive Außenbeitrag. Der starke wirtschaftliche Einbruch im Zuge der COVID-19-Pandemie erklärt sich dadurch, dass diese Stützpfeiler wegbrachen. Die Haushalte hielten sich mit ihren Ausgaben zurück und der Welthandel kam zeitweise nahezu zum Erliegen. In den kommenden zwei Dekaden spielt der private Konsum – gefördert durch den Anstieg der Reallöhne und der Beschäftigung – wieder eine zentrale Rolle. Zudem ist der Investitionsbedarf aufgrund der niedrigen Investitionstätigkeit in der vergangenen Dekade groß, sodass künftig die Investitionen kräftig steigen. Darüber hinaus kurbeln die vom EU-Wiederaufbaufonds finanzierten Modernisierungsprogramme auch in der langen Frist das post-pandemische Wirtschaftswachstum an.

Wirtschaftsstruktur

Innerhalb der Europäischen Union ist Italien, gemessen am Produktionswert, nach Deutschland das zweitwichtigste Industrieland. Demnach bildet das mittelständisch geprägte produzierende Gewerbe, das ein knappes Viertel der Bruttowertschöpfung erzielt, das Rückgrat der italienischen Wirtschaft. Den Großteil der Bruttowertschöpfung (2020: etwa 74 %) erwirtschaftet jedoch der Dienstleistungssektor. Die Landwirtschaft trägt mit 2 Prozent (2020) nur einen sehr geringen Teil zur Bruttowertschöpfung bei. In den kommenden Dekaden legt der tertiäre Sektor noch einmal leicht zu und wird im Jahr 2040 für 75 Prozent der Bruttowertschöpfung verantwortlich sein.

Branchenentwicklung

Die größte Branche des italienischen verarbeitenden Gewerbes ist der Maschinenbau mit jeweils einem Anteil von 2 Prozent (2020) an Bruttowertschöpfung und Gesamtbeschäftigung. In Zukunft profitiert der Maschinenbau vom Bedeutungsgewinn der Industrie-4.0-Technologien, die in Italien stark gefördert werden, und gehört weiter zu den Branchen mit der dynamischsten Entwicklung der Wachstumsraten. Die Landwirtschaft hat trotz anhaltend abnehmender Beschäftigtenzahlen eine traditionsreiche und wichtige Rolle. Aber obwohl die Digitalisierung in Form von Agrikultur 4.0 Einzug hält, wächst die Branche über die kommenden Dekaden nur unterdurchschnittlich. Die größte Branche im Dienstleistungssektor bleibt das Wohnungs- und Grundstückswesen. Die Informations- und Kommunikationsbranche sowie die unternehmensnahen Dienstleistungen verzeichnen hingegen bis 2040 das stärkste Wachstum.

Staatsfinanzen

Die italienische Schuldenstandsquote ist eine der höchsten innerhalb der Europäischen Union (2019: 135 %). Im Pandemiejahr 2020 sank das Budgetsaldo aufgrund steigender Ausgaben für Hilfsmaßnahmen und dem Wegfall von Steuereinnahmen auf -4,3 Prozent und die Schuldenstandsquote stieg auf 148 Prozent an. Der hohe Schuldenstand schränkt den finanziellen Spielraum des italienischen Staats ein, was sich hemmend auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Gleichzeitig ist ein dynamisches Wirtschaftswachstum für eine Senkung der Schuldenstandsquote essenziell. Auch künftig bleibt das Budgetsaldo, u. a. aufgrund steigender Kosten verursacht durch den demografischen Wandel, negativ. Gleichwohl führt eine höhere Inflation zu einer langfristig sinkenden Schuldenstandquote bis 2040 (106 %).

Außenhandel

Italien zählt innerhalb der Europäischen Union zu den größten Exportländern und verzeichnete über die vergangenen Jahre einen positiven Außenbeitrag. Für den Zeitraum von 2020 bis 2040 erwarten wir durch eine steigende Inlandsnachfrage, dass die Importe stärker anziehen als in den vergangenen Jahren. Die Exporte nehmen noch dynamischer zu, wodurch auch in Zukunft ein positiver Außenbeitrag das italienische Wachstum prägt. Vorrangig handelt Italien mit Maschinen und chemischen Erzeugnissen. Der Haupthandelspartner ist Deutschland mit einem Anteil von 15,7 Prozent (2020) an den Importen und 10,8 Prozent (2020) an den Exporten. Weitere wichtige Handelspartner sind China, Frankreich und Polen. Importseitig spielen auch die Niederlande und Belgien eine zentrale Rolle. Bis 2040 gewinnt zudem Spanien als Lieferland an Relevanz. Weitere wichtige Absatzmärkte sind die USA und Polen.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Italien gehört mit Deutschland und Frankreich zum industriellen Kern der Europäischen Union und kann durch seine innovative Forschungslandschaft, Marktgröße und umfangreiche staatliche Förderprogramme punkten. Gleichzeitig erweist sich die Bürokratie als schwerfällig, der Staat ist hoch verschuldet und die Vergabe von Fördermitteln verläuft oft undurchsichtig.

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