Relevanz des technologischen Fortschritts
Der technologische Fortschritt prägt seit jeher wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und ist eine entscheidende Quelle für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. So ist ein Großteil des deutschen Wirtschaftswachstums in der Vergangenheit und in Zukunft nicht auf Veränderungen des gemessenen Arbeits- und Kapitaleinsatzes zurückzuführen, sondern beruht auf dem technischen Fortschritt.
Dabei hat sich die technologische Entwicklung über die vergangenen Jahrhunderte zunehmend beschleunigt. Neue Technologien drängen in immer kürzeren Abständen auf den Markt und verbreiten sich. Ein Grund dafür ist die Digitalisierung. Als Querschnittstechnologie wirkt sie als Treiber von Innovationen in mittlerweile allen Wirtschaftsbereichen und beschleunigt damit den technologischen Wandel. Zudem werden weltweit immer mehr Ressourcen in die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien gesteckt: 2018 erreichten die weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) mit 2,2 Billionen Dollar bzw. 2,6 Prozent des globalen BIP sowie die Anzahl der Forscher*innen (Vollzeitäquivalent) mit über 1,2 je 1.000 Einwohner neue Höchststände.
Auswirkungen der Corona-Krise
Die Corona-Krise hat in vielen Bereichen einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Bspw. gehören das Homeoffice sowie die Nutzung von digitalen Bezahlmöglichkeiten und Videosprechstunden inzwischen zum Alltag vieler Menschen und Unternehmen. Auch im Bereich E-Government sind Fortschritte zu verzeichnen.
Zudem kann die Krise als Impulsgeber für Fortschritt und Innovationen fungieren, etwa indem sie eine Vereinfachung, Flexibilisierung und Beschleunigung von Prozessen und Arbeitsweisen bewirkt. Kurzfristige Impulse dürften die milliardenschweren Corona-Hilfspakete von Deutschland und der Europäischen Union auslösen, da vorgesehen ist, einen Teil der Mittel in den Bereichen Digitalisierung sowie Forschung und Innovation einzusetzen. Um die Anreize für Forschungsinvestitionen in Deutschland zu erhöhen, ist bspw. die Begrenzung des Aufwands, der im Rahmen der steuerlichen Forschungsförderung mit einer Zulage in Höhe von 25 Prozent förderfähig ist, von 2 auf 4 Millionen Euro bis 2026 erhöht worden.
Digitalisierung ist Kern des technologischen Fortschritts
In den kommenden Jahren gewinnen Technologien und Anwendungen an Bedeutung, denen das Potenzial beigemessen wird, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie die Geschäfts- und Wachstumsmodelle von Unternehmen nachhaltig zu beeinflussen. Einige dieser Technologien und Anwendungen sind am Markt bereits verfügbar und werden stetig weiterentwickelt. Andere Technologien sind weiter von der Marktreife entfernt.
Bedeutung der Digitalisierung
Im Mittelpunkt des technologischen Fortschritts steht die Digitalisierung. Aufgrund ihrer universellen Einsetzbarkeit bieten digitale Technologien (Wettbewerbs-)Vorteile für Unternehmen aus nahezu allen Branchen und Bereichen. Unternehmen können diese Technologien als Dienstleistung („as a Service“) beziehen und müssen diese nicht selbst herstellen oder vorhalten. Das bietet gerade auch kleineren Unternehmen einen flexiblen und kostengünstigen Zugang zur Digitalisierung. Durch digitale Technologien können Unternehmen bspw. Produktions- und Verwaltungsprozesse (kosten-)effizienter, schneller und flexibler gestalten sowie Produkte individuell auf die Anforderungen der Kund*innen zuschneiden und einzelne Werkstücke produzieren, ohne den regulären Produktionsablauf zu unterbrechen. Zudem können die Ansprache und Betreuung von Kund*innen direkter und zielgerichteter erfolgen und Mitarbeiter können in Arbeitsprozessen entlastet werden sowie ihre Arbeitszeiten und -orte flexibler gestalten bzw. wählen. Ferner erlauben digitale Technologien neue, oftmals datengetriebene und produktbegleitende Geschäftsmodelle.
Digitalisierungstechnologien
Die Digitalisierungstechnologien lassen sich grundsätzlich zwei Gruppen zuordnen:
- Basistechnologien umfassen grundlegende Software-, Hardware- und Konnektivitätstechnologien (z. B. IoT-Protokolle). Sie sind mitunter von strategischer Bedeutung, wie die Diskussionen zum Aufbau des Mobilfunkstandards 5G und die Chipknappheit im deutschen Fahrzeugbau zeigen.
- Schlüsseltechnologien bauen in der Regel auf den Basistechnologien auf und können für konkrete Anwendungen genutzt werden, bspw. zur Automatisierung, Prozessgestaltung und -steuerung im Rahmen der Industrie 4.0 sowie zum autonomen Fahren. Wichtige Schlüsseltechnologien mit einem zunehmend breiten Anwendungsspektrum sind u. a. KI, Cloud Computing, Edge Computing, Big Data und Blockchain.
Digitale Schlüsseltechnologien
Künstliche Intelligenz
Hat das Potenzial, die Effizienz, Eigenständigkeit und Flexibilität von Systemen und Prozessen signifikant zu erhöhen sowie neue Anwendungen und Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Grundlage bildet die Auswertung von Daten, deren Qualität von entscheidender Bedeutung ist. Eine der wichtigsten Formen der KI ist das maschinelle Lernen. Praktische Anwendungen sind die Optimierung von Energieverbräuchen, die Steuerung und Qualitätssicherung von Produktionsprozessen, autonomes Fahren, die Interaktionen zwischen Mensch und Maschine in natürlicher Sprache sowie die Beantwortung komplexer Fragestellungen in der Medizin. Ein spezifisches Anwendungsfeld der KI ist die fortgeschrittene Robotik. Diese bezeichnet zunehmend leistungsfähigere Roboter, die über erweiterte „Sinne“, Geschicklichkeit und Intelligenz verfügen und somit automatisierbare Aufgaben übernehmen können. Viele KI-Anwendungen werden von den großen IT-Entwicklern zunehmend als (vortrainierte) Standardlösungen angeboten („KI as a Service“), wobei analog zu Enterprise-Resource-Planning-Systemen teilweise individuelle Anpassungen erforderlich sind. Damit wird KI immer mehr Akteuren zugänglich gemacht.
Cloud Computing
Beschreibt in der Regel Technologien zur Bereitstellung von IT-Infrastrukturen und -Leistungen über das Internet. Typischerweise betrifft dies die Nutzung von Speicherplatz, Rechenleistung oder Software, ohne dass diese am Ort der Nutzung vorgehalten werden müssen. Dies hat entscheidende Vorteile für Unternehmen, u. a.:
Zugriff: orts- und geräteunabhängiger Zugriff
Flexibilität: bedarfsgerechter Abruf und Umfang (Skalierbarkeit)
Einsparungen: nutzungsabhängige Bezahlung, keine Wartungen etc.
neue Dienste: Nutzung von aktuellen Diensten, zu deren Erstellung Unternehmen selbst nicht in der Lage wären (z. B. „KI as a Service“).
Ein Schwerpunkt internationaler Forschungsanstrengungen liegt derzeit auf der Entwicklung neuartiger und verbesserter Stromspeicher (Batteriespeicher, Superkondensatoren, Druckluftspeicherkraftwerke). Sie könnten helfen, die Fluktuationen von Stromerzeugung und Stromverbrauch besser auszugleichen und so einen Nachteil der Nutzung erneuerbarer Energiequellen kompensieren. Zudem könnten sie einen höheren Autarkiegrad des Energiesystems und vom Stromnetz unabhängige Verbraucher ermöglichen und damit die Elektrifizierung des Endenergieverbrauchs sowie die Elektromobilität vorantreiben. Als dezentrale Speicheroptionen dienen derzeit insbesondere Lithium-Ionen-Batterien. Alternative Batterietypen (z. B. Feststoffbatterien) mit verbesserter Energie- und Leistungsdichte sowie Zyklenstabilität, Lebensdauer, Lagerfähigkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit stehen derzeit noch nicht zur Verfügung.
Das Genom-Editierungsverfahren CRISPR/Cas9 kann das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen verändern und ist sowohl deutlich präziser als auch kostengünstiger als bisherige Methoden. Potenzielle Anwendungsfelder der „Gen-Schere“ reichen von der Pflanzenzüchtung über die Entwicklung gänzlich neuer Fertigungsprozesse bis hin zur Therapie von Erbkrankheiten und Krebs, für die CRISPR/Cas9 als entscheidender Durchbruch gilt. Während das Verfahren für Anwendungen in der Landwirtschaft bereits genutzt wird, befindet sich seine Anwendung im Bereich der Humanmedizin noch in einem frühen Stadium mit unklarem Ausgang. Bspw. deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass das menschliche Immunsystem das Protein Cas9 bekämpft.
Forschung und Entwicklung im internationalen Vergleich
Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE)
In Deutschland stieg die FuE-Quote, also das Verhältnis von FuE-Ausgaben zum BIP, von rund 2,1 Prozent im Jahr 1995 auf 3,2 Prozent im Jahr 2019. Die Zunahme beruhte vor allem auf einem Anstieg der Unternehmensausgaben für FuE. Sie machten 2018 über zwei Drittel der FuE-Aufwendungen aus. Der Rest verteilte sich auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit etwa 14 Prozent und Hochschulen mit 18 Prozent.
Mit einer FuE-Quote von 3,2 Prozent hat Deutschland das in der EU-Wachstumsstrategie „Europa 2020“ beschlossene Ziel von 3 Prozent übertroffen und nähert sich der von der Bundesregierung bis 2025 angestrebten Zielmarke von 3,5 Prozent. Verglichen mit anderen großen Volkswirtschaften liegt Deutschland damit im oberen Bereich.
Hemmnisse für Innovationen und Digitalisierung
Junge Unternehmen sind für die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft wichtig, zumal sie häufig in den zukunftsweisenden Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit tätig sind. Da sie in der Regel auf keine Rücklagen zurückgreifen oder Sicherheiten für Kredite hinterlegen können, sind sie besonders auf Risikokapital angewiesen. Der Risikokapitalmarkt ist in Deutschland jedoch vergleichsweise schwach ausgeprägt. Im Jahr 2019 beliefen sich die bundesweiten Risikokapitalinvestitionen mit rund 2,1 Milliarden Euro auf nur gut 0,05 Prozent des deutschen BIP. In den USA ist ihr Anteil zehnmal so hoch.
Die Nutzung digitaler Technologien stellt teilweise hohe Anforderungen an die digitale Infrastruktur. Ein schnelles, zuverlässiges und überregional verfügbares Internet gewinnt daher als Standortfaktor zunehmend an Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Festnetzinfrastruktur, auf der grundsätzlich auch der neuste Mobilfunkstandard 5G aufbaut. Bei der Versorgung mit kabelgebundenem glasfaserbasierten Breitband der nächsten Generation liegt Deutschland etwas über dem europäischen Durchschnitt. Die Versorgung mit Glasfaseranschlüssen – die derzeit schnellste Übertragungstechnik – bei den Kund*innen ist in Deutschland im EU-Vergleich mit unter 10 Prozent hingegen gering – insbesondere im ländlichen Raum. Sie wird von den Endkund*innen bisher aber auch kaum nachgefragt (Sachverständigenrat 2020).
Zudem bedingt Digitalisierung eine veränderte Fachkräftenachfrage. Digitale Kompetenzen müssen sowohl in der (hoch-)schulischen und betrieblichen Ausbildung als auch in der beruflichen Weiterbildung stärker vermittelt werden.