Länderfactsheets

Indien

Wirtschaftspolitik

Indien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat in den letzten 20 Jahren erhebliche Erfolge in der Armutsbekämpfung erzielt. Gerade auf dem Land sind Armut, Hunger und ein geringer Bildungsstand aber noch immer weit verbreitet. Mit den Strategien „Make in India“ und „Self-reliant India“ hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi ihre Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren neu ausgerichtet: Um die Industrie zu stärken und unabhängiger zu werden von (vor allem chinesischen) Importen in Schlüsselindustrien, sind u. a. die Ansiedelung internationaler Firmen, Sonderwirtschaftszonen und Importlizenzen geplant.

Demografie und Arbeitsmarkt

Die indische Bevölkerung wächst. Lebten im Jahr 2020 knapp 1,4 Milliarden Menschen in Indien, werden es im Jahr 2040 1,6 Milliarden Menschen sein und damit mehr als in China, dem derzeit bevölkerungsreichsten Land der Welt. Seit den 1960er-Jahren hat die Geburtenrate auf dem Subkontinent stetig abgenommen auf 2,2 Kinder je Frau (2020) bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung. 1,1 Milliarden Inder*innen werden im Jahr 2040 im erwerbsfähigen Alter sein (2020: 930 Millionen). Doch der Beschäftigungsaufbau kann mit dem Bevölkerungswachstum nicht schritthalten, die Konkurrenz um Jobs bleibt immens. Auch weil für offizielle Unternehmensgründungen hohe administrative Hürden zu überwinden sind, arbeitet derzeit schätzungsweise nur jede*r Fünfte in einem geregelten Beschäftigungsverhältnis. Ähnlich niedrig fällt die Erwerbsbeteiligung von Frauen aus. Indiens informeller Sektor ist groß und kann über den Prognosezeitraum nur teilweise in den formalen Arbeitsmarkt integriert werden. Wir rechnen im Prognosezeitraum mit einem vergleichsweise geringen Anstieg der Löhne, einer weiterhin niedrigen Erwerbsquote von Frauen und einem Anstieg der registrierten Erwerbslosenquote auf 11 Prozent im Jahr 2040.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Als vergleichsweise armes Land mit großem informellem Sektor und schwachem Gesundheitssystem hat die COVID-19-Pandemie Indien hart getroffen. Gleichwohl werden sich Teile der Wirtschaft zügig erholen, wenn Konsumlaune und Investitionsklima nicht nachhaltig geschwächt bleiben und die teuren staatlichen Konjunkturpakete greifen. Wir erwarten, dass Indiens Wirtschaftsleistung ihr Vorkrisenniveau bereits Ende 2021 wieder erreicht. Im langfristigen Betrachtungszeitraum von 2020 bis 2040 gehen wir von einem äußerst dynamischen Wachstum des BIP von 4,6 Prozent p. a. aus, wobei die Zuwachsraten im Zeitverlauf stetig sinken. Bis Ende der 2020er-Jahre überholt Indien zunächst Deutschland, Anfang der 2030er-Jahre auch Japan und steigt zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt auf. Das durchschnittliche BIP je Einwohner verdoppelt sich bis zum Jahr 2040 auf weiterhin niedrige 3.600 Euro.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Indiens langfristiges Wirtschaftswachstum wird im Zeitraum 2020 bis 2040 im Wesentlichen vom privaten Konsum (63 %) und den gesamtwirtschaftlichen Investitionen (28 %) getragen. Der Konsum wächst zum einen aufgrund der steigenden Zahl an privaten Haushalten. Zudem verändert sich mit steigendem Wohlstand auch die Konsumstruktur. Während heute 21 Prozent der Konsumausgaben für Lebensmittel verwendet werden, geht dieser Anteil bis zum Jahr 2040 auf voraussichtlich 15 Prozent zurück. Stattdessen steigen die Ausgaben für Mobilität, Gesundheit und Freizeit relativ wie absolut. Bei den Investitionen legen die privatwirtschaftlichen Investitionen im Zuge der anstehenden Modernisierung und Erweiterung der Produktionskapazitäten besonders stark zu (5,5 % p. a. bis 2040). Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und höherer Wohlstand erfordern zudem hohe Investitionen in Immobilien und Infrastruktur. Die dynamische Binnennachfrage lässt die Importe steigen, sodass der Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum künftig etwas bremst.

Wirtschaftsstruktur

Mit einem Anteil der Landwirtschaft von 17 Prozent an der Bruttowertschöpfung (im Jahr 2020) verfügt Indien selbst für ein Schwellenland über einen ausgeprägten Agrarsektor. Der Anteil der Dienstleistungen beträgt 52 Prozent. Im Vergleich zu anderen Schwellenländern – insbesondere zu China – industrialisiert sich Indien weniger stark. Ein Stück weit wandelt sich Indien direkt von einer Agrar- zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Bis 2040 gewinnt der Dienstleistungssektor weiter an Bedeutung (2040: 58 %). Der Anteil des produzierenden Gewerbes (inkl. Bau) sinkt zwischen 2020 und 2040 von 30 Prozent auf 28 Prozent.

Branchenentwicklung

Die industrielle Basis Indiens ist eher schwach. Auf das verarbeitende Gewerbe – also die Industriebranchen im engeren Sinn – entfallen rund 15 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung. Die größten Industriebranchen sind Textilien und Chemieindustrie. Insgesamt dominieren Handel, IT- und Finanzdienstleistungen sowie der Staatssektor. Die Regierung hat Programme zum Ausbau der Industrie aufgelegt, die den Kapitalstock verbessern sollen. Parallel kurbelt der Strukturwandel die Nachfrage nach Serviceleistungen und digitalen Produkten an. Insbesondere für den Arbeitsmarkt spielt auch künftig die Landwirtschaft eine wichtige Rolle.

Produktivitäts- und Lohndynamik

Ausbau und Modernisierung von Industrie und Infrastruktur fördern den technischen Fortschritt. Mit Produktivitätssteigerungen von 4,2 Prozent p. a. zwischen 2020 und 2040 übertrifft Indien die Zuwächse der Industrieländer auch in Zukunft bei Weitem, wenngleich von einem deutlich niedrigeren Niveau ausgehend. Bei Inflationsraten zwischen 3 und 4 Prozent rechnen wir mit spürbaren Reallohnsteigerungen von durchschnittlich 3 Prozent pro Jahr bis 2040. Das stärkt den Konsum und das Wachstum des Binnenmarkts.

Außenhandel

Indiens Integration in globale Lieferketten schreitet weiter voran. Bis zum Jahr 2040 erwarten wir einen spürbaren Anstieg der Exporte um 5,5 Prozent p. a. und der Importe um 5,6 Prozent p. a. Zu den wichtigsten Exportgütern zählen chemische Erzeugnisse, Textilien und Nahrungsmittel, importiert werden vor allem Öl und Vorleistungsgüter. Die Regierung Modi will die hohe Abhängigkeit von Importen, gerade aus China, reduzieren. Dieses Ziel dürfte nur schwer zu erreichen sein. China ist Indiens mit Abstand wichtigster Handelspartner und bleibt dies laut unseren Prognosen langfristig auch. Deutschland folgt derzeit auf Platz vier (Exporte) bzw. Platz sechs (Importe).

Institutionelle Rahmenbedingungen

Mit der Strategie zur Stärkung der Autarkie Indiens sollen ausländische Investoren ins Land geholt werden. Die Attraktivität des großen indischen Marktes wird jedoch konterkariert durch unzureichende Infrastruktur, aufwendige Bürokratie und Beteiligungsgrenzen für ausländische Investoren in bestimmten Branchen. Gleichwohl hat die Regierung wichtige Reformen zur Verbesserung des Geschäfts- und Investitionsklimas angestoßen, etwa durch Vereinfachungen im Steuer- und Insolvenzrecht. Ein Freihandels- oder Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien besteht nicht.

<  Türkei
Südafrika  >