Länderfactsheets

Rumänien

Wirtschaftspolitik

Die häufigen Regierungswechsel in den vergangenen Jahren haben die politische Stabilität Rumäniens beeinträchtigt. Bei den Wahlen Ende 2020 gewann zwar die linkspopulistische PSD die meisten Stimmen. Es bildete sich jedoch eine proeuropäische Minderheitsregierung um Ministerpräsident Florin Cîțu und die liberalkonservative Partei PNL mit dem Ziel, eine Regierung der von Korruptionsskandalen geplagten PSD zu verhindern und das Land zu modernisieren. Dafür wurde u. a. ein großer Konjunktur- und Investitionsplan vereinbart mit einer Investitionssumme von rund 100 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030.

Demografie und Arbeitsmarkt

In Rumänien leben derzeit gut 19 Millionen Menschen (2020). Seit mehreren Dekaden sinkt die Einwohnerzahl, weil viele Rumän*innen ins Ausland abwandern und die Sterberate weit über der Geburtenrate liegt. Bis zum Jahr 2040 schrumpft die Bevölkerung um weitere 10 Prozent auf dann 17 Millionen Menschen und altert spürbar. Sinkende Bevölkerungszahlen und das schrumpfende Erwerbspersonenpotenzial erhöhen vor allem in den 2030er-Jahren den Druck auf den Arbeitsmarkt. Um diesem entgegenzuwirken, greifen rumänische Unternehmen teilweise schon heute auf Arbeitskräfte aus Asien zurück. Darüber hinaus erwarten wir in Rumänien eine weitere Absenkung der Erwerbslosenquote auf 2,6 Prozent (2040) und einen Anstieg der durchschnittlichen Arbeitszeit.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Rumänien gehört im EU-weiten Vergleich zu den ärmsten Volkswirtschaften. Sie ist jedoch im vergangenen Jahrzehnt mit 3,6 Prozent p. a. auch deutlich schneller gewachsen als der Durchschnitt der EU-Volkswirtschaften. Verantwortlich für die gute Entwicklung waren die vergleichsweise niedrige Steuerbelastung und anhaltend hohe Direktinvestitionen ausländischer Firmen. Nach dem pandemiebedingten Wirtschaftseinbruch plant die Regierung ein milliardenschweres Konjunktur- und Investitionspaket, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Vor diesem Hintergrund erwarten wir eine schnelle Erholung und den Anschluss an das BIP-Vorkrisenniveau noch im Jahr 2021. Im Prognosezeitraum von 2020 bis 2040 wächst das rumänische BIP mit durchschnittlich 2 Prozent pro Jahr ähnlich stark wie im EU-weiten Durchschnitt (1,8 % p. a.). Im Ergebnis verläuft der wirtschaftliche Aufholprozess in Rumänien sehr langsam und das Land wird auch 2040 zur Gruppe der ärmeren EU-Mitgliedstaaten gehören. Dafür verantwortlich ist die erhebliche Alterung der rumänischen Gesellschaft infolge der Abwanderung zahlreicher junger Menschen.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

In den vergangenen Dekaden war der private Konsum mit einem Wachstumsbeitrag von nahezu 80 Prozent der Motor der rumänischen Volkswirtschaft. Gleichzeitig hemmte der negative Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum. Auch in den nächsten 20 Jahren leistet der private Konsum infolge spürbarer Reallohnsteigerungen von 2,6 Prozent p. a. und niedriger Arbeitslosigkeit den mit Abstand größten Wachstumsbeitrag. Die Investitionen tragen ebenfalls maßgeblich zum Wachstum bei. Anders als in den Vorjahren erwarten wir – u. a. getrieben von den Investitionsplänen der Regierung –, dass die staatlichen Investitionen am stärksten (3,2 % p. a.), die Ausrüstungsinvestitionen hingegen nur schwach (0,6 % p. a.) zulegen. Der Immobilienmarkt wächst aufgrund der demografischen Entwicklung bis zum Jahr 2040 deutlich weniger dynamisch.

Wirtschaftsstruktur

Die heutige Wirtschaftsstruktur des Landes entspricht im Wesentlichen der eines Schwellenlandes. So hat Rumänien mit einem Bruttowertschöpfungsanteil von 4,6 Prozent (2020) gerade im Vergleich zu anderen EU-Staaten einen überdurchschnittlich großen Landwirtschaftssektor. In den kommenden Dekaden verändert sich die Wirtschaftsstruktur Rumäniens. Höhere Einkommen wirken positiv auf die Bedeutung der Dienstleistungen für die Bruttowertschöpfung, deren Anteil von 64 Prozent (2020) auf 68 Prozent (2040) ansteigt, während der Anteil von primärem und sekundärem Sektor leicht zurückgeht. Damit nähert sich Rumänien an das sektorale Gefüge von Industrieländern an, wird aber auch im Jahr 2040 mit einem Bruttowertschöpfungsanteil von 3,7 Prozent einen relativ großen Agrarsektor haben.

Branchenentwicklung

Nach dem Boom Mitte der 2000er-Jahre zählt das Baugewerbe zu den wirtschaftsstärksten Branchen des Landes. Dort werden 6 Prozent (2020) der Bruttowertschöpfung erwirtschaftet, und 8 Prozent (2020) der Erwerbstätigen sind im Baugewerbe beschäftigt. Eine der größten Industriebranchen Rumäniens ist die Automobilindustrie mit einem Anteil von jeweils 3 Prozent (2020) an Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigen. Die Automobilindustrie erweist sich als zukunftsträchtige Branche – auch, weil sich der rumänische Automobilmarkt zunehmend auf Zukunftsthemen wie autonomes Fahren und E-Mobilität ausrichtet – und wächst bis zum Jahr 2040 mit jahresdurchschnittlich 2 Prozent stärker als der rumänische Branchendurchschnitt. Die Landwirtschaft bildet noch immer die beschäftigungsintensivste Branche Rumäniens, obwohl die Zahl der Erwerbstätigen dort in den vergangenen Jahren so stark geschrumpft ist wie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig. Mit 21 Prozent arbeitete im Jahr 2020 mehr als ein Fünftel der Erwerbstätigen im Agrarsektor, fast genauso viel wie im gesamten produzierenden Gewerbe. Langfristig überholt der Handel, der in den meisten Industrienationen bereits die beschäftigungsstärkste Branche ist, die Landwirtschaft auch in Rumänien.

Staatsfinanzen

Der rumänische Budgetsaldo ist seit vielen Jahren negativ, die Schuldenstandsquote war mit 35 Prozent im Jahr 2019 im internationalen Vergleich aber noch immer moderat. Die 2019 beschlossene Rentenerhöhung, pandemiebedingte Wirtschaftshilfen und der geplante Konjunktur- und Investitionsplan belasten den öffentlichen Haushalt künftig weiter. Zusätzlich wirkt sich Rumäniens im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Kreditwürdigkeit negativ auf die Finanzierung der Staatsverschuldung aus. Der demografische Wandel lässt darüber hinaus die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen steigen sowie die Steuereinnahmen sinken. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit einem starken Anstieg der Schuldenstandsquote auf 72 Prozent im Jahr 2040. Sparmaßnahmen, wie sie die Regierung in ihrem Haushaltsplan formuliert hat, verringern das Budgetdefizit, halten den Anstieg der Staatsverschuldung aber nur bedingt auf.

Außenhandel

Mit einem Offenheitsgrad von 97 Prozent (2020) ist Rumänien stärker in den internationalen Handel eingebunden als bevölkerungsreiche EU-Länder wie Deutschland, aber weniger stark als kleine, offene Volkswirtschaften in Mittel-Osteuropa wie Tschechien. Seinen hohen Offenheitsgrad hält Rumänien langfristig. Trotz steigender Lohnstückkosten und Binnennachfrage erwarten wir mit 2,4 Prozent p. a. bis zum Jahr 2040 gerade bei den Exporten ein dynamisches Wachstum (Importe: 1,7 % p. a.). Exportiert werden vor allem Produkte der Automobilindustrie und der Elektrotechnik. Rumänien handelt hauptsächlich innerhalb der Europäischen Union: Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Haupthandelspartner vor Italien, Ungarn und Polen. Auch im Jahr 2040 wird Rumänien vorrangig mit diesen Ländern Handel treiben.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Rumänien gilt als attraktiver Produktionsstandort. Die Lohnstückkosten sind EU-weit die niedrigsten, das Steuersystem ist unternehmerfreundlich und die EU-Mitgliedschaft vorteilhaft. Zu Rumäniens institutionellen Problemfeldern zählen Korruption, eine unsichere politische Lage, Mängel im Rechtssystem und eine schwerfällige Bürokratie.

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