Länderfactsheets

Slowakei

Wirtschaftspolitik

In der Slowakei fand im Jahr 2020 ein Regierungswechsel statt. Die als Protestpartei bezeichnete OĽaNO mit ihrem konservativen Vorsitzenden Igor Matovič konnte mit der Ankündigung von mehr Transparenz, Rechtstaatlichkeit und der Bekämpfung von politischer Korruption überzeugen. An der Regierungsbildung waren vier sehr verschiedene Parteien beteiligt. Vor allem Fragen der Pandemiebekämpfung boten großes Konfliktpotenzial, weshalb nach einer Regierungskrise im April 2021 der bisherige Finanzminister Eduard Heger sein Amt mit Matovič tauschte. Obwohl sich die Partei OĽaNO selbst als „eurorealistisch“ bezeichnet und somit für die Mitgliedschaft der Slowakei in der Europäischen Union steht, sendet sie diesbezüglich widersprüchliche Botschaften. Eine klare Einordnung der Partei in „proeuropäisch“ oder „europaskeptisch“ ist kaum möglich.

Demografie und Arbeitsmarkt

Mit einer Gesamtbevölkerung von 5,5 Millionen Menschen (2020) gehört die Slowakei zu den kleineren Ländern der Europäischen Union. Bei der Bevölkerungsentwicklung kehrt sich der wachsende Trend der vergangenen Jahre ab Mitte der 2020er-Jahre im Zuge des demografischen Wandels um. Bis zum Jahr 2040 schrumpft die slowakische Bevölkerung um insgesamt 4,4 Prozent. Weiterhin wachsen wird lediglich der Anteil der über 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung. Neben der Alterung ist auch die im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Geburtenrate der vergangenen Jahrzehnte für diese Bevölkerungsentwicklung ausschlaggebend. Die Beschäftigtenzahlen steigen noch einige Jahre, bevor die sich verringernde Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter auf dem Arbeitsmarkt ab Ende der 2020er-Jahre spürbar wird. Ein Beschäftigungsrückgang ist die Folge. Gleichzeitig fällt die Erwerbslosenquote auf immer neue Tiefstände. Vor der COVID-19-Pandemie lag sie bei 5,8 Prozent (2019). Während der COVID-19-Pandemie konnte die Regierung mit dem sogenannten „Erste Hilfe“-Programm das Beschäftigungsniveau nahezu halten. Auch in den kommenden Dekaden sinkt die Erwerbslosenquote weiter, bis eine faktische Vollbeschäftigung erreicht wird (2040: 1,9 %).

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

In den letzten Jahren ist die slowakische Volkswirtschaft mit stabilen Raten von über 2 Prozent pro Jahr gewachsen (2019: 2,3 %). COVID-19 hat das Land in eine Gesundheitskrise gestürzt, die Slowakei verzeichnete im März 2021 kumuliert die EU-weit höchste Todesrate im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Nach der Eindämmung der Pandemie kann das mittelosteuropäische Land im Verlauf des Jahres 2021 auf die positive volkswirtschaftliche Entwicklung der Vorjahre aufbauen. Anders als die der meisten übrigen EU-Länder übertrifft die slowakische Wirtschaftsleistung bereits im Laufe des Jahres 2021 das Vorkrisenniveau. Langfristig wirken sich der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel negativ auf das Wachstum aus. Insgesamt erwarten wir bis zum Jahr 2040 ein Wachstum des slowakischen BIP von jahresdurchschnittlich 2 Prozent.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Das slowakische Wirtschaftswachstum wurde über die letzten Jahre primär vom Binnenkonsum getragen, dessen Rückgrat der private Konsum mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent bildet. Der Reallohnanstieg lässt den Wachstumsbeitrag des privaten Konsums langfristig leicht steigen. Als exportorientierte Volkswirtschaft profitiert die Slowakei auch künftig von ihrem positiven Außenbeitrag. Dazu trägt kurzfristig die Erholung des Welthandels nach der COVID-19-Pandemie bei, langfristig die weiter steigende Integration der Slowakei in globale Wertschöpfungsketten. In der Folge steigt bis 2040 der Anteil der Nettoexporte am gesamtwirtschaftlichen Wachstumsbeitrag.

Wirtschaftsstruktur

Die Slowakei verfügt über eine solide industrielle Basis. So leistete das produzierende Gewerbe (inkl. Bau) mit 33 Prozent im Jahr 2020 einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Bruttowertschöpfung im Vergleich zu dem anderer mittel- und osteuropäischer Länder. Sein Anteil wuchs in den letzten zwei Jahrzehnten entgegen dem internationalen Trend sogar. Seit wenigen Jahren hat sich dieser Wachstumstrend des slowakischen produzierenden Gewerbes umgekehrt. Wir erwarten, dass der Dienstleistungsanteil an der Bruttowertschöpfung – entsprechend dem typischen Strukturwandel – bis zum Jahr 2040 weiter steigt. Trotzdem bleibt die slowakische Wirtschaftsstruktur vergleichsweise industrieorientiert.

Branchenentwicklung

Mit der weltweit höchsten Pro-Kopf-Produktion von Kraftfahrzeugen ist der stärkste Zweig der slowakischen Industrie die Automobilindustrie. Sie erwirtschaftete im Jahr 2020 rund 6 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung und beschäftigte etwa 3 Prozent aller slowakischen Erwerbstätigen. Bis zum Jahr 2040 entwickelt sich das jahresdurchschnittliche Wachstum der Bruttowertschöpfung in der Automobilbranche mit 1,9 Prozent in einer ähnlichen Größenordnung wie das gesamtwirtschaftliche Wachstum der Wertschöpfung. Eine ähnliche Dynamik erwarten wir langfristig im Baugewerbe, das aktuell mit einem Anteil von 8 Prozent (2020) eine wichtige Rolle bei der Bruttowertschöpfung spielt. Höhere Zuwächse verzeichnen in den kommenden Dekaden die verschiedenen Dienstleistungsbranchen. Als Folge des demografischen Wandels sinkt die Zahl der Erwerbstätigen in fast allen Branchen.

Produktivitäts- und Lohndynamik

In den letzten Jahren ist die Produktivität spürbar gestiegen und hat so einen Beitrag zum kontinuierlichen Wachstum der Bruttowertschöpfung geleistet. Dabei profitiert die Slowakei von ihrer starken Industrie, in der Produktivitätsfortschritte leichter erreichbar sind als in weniger kapitalintensiven Dienstleistungen. Dieser Trend steigender Produktivität setzt sich mit abschwächender Dynamik fort. Gleiches gilt für die Reallöhne. Sie steigen bis zum Jahr 2040 um jahresdurchschnittlich 1,4 Prozent. Trotz der im Vergleich zu den Vorjahren langsameren Produktivitätsentwicklung bleibt der Druck auf die Löhne hoch, weil das Arbeitskräfteangebot demografisch bedingt sinkt. Trotz alledem bewahrt sich die Slowakei bis 2040 – mit Lohnstückkosten unter dem polnischen und tschechischen Niveau – auch langfristig eine hohe preisliche Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas.

Außenhandel

Kein Land ist den Außenhandel betreffend so eng innerhalb der Europäischen Union verflochten wie die Slowakei. Sowohl import- als auch exportseitig ist Deutschland der Haupthandelspartner. Weitere wichtige Lieferländer sind Tschechien, China und Polen. Wir gehen davon aus, dass die Slowakei auch im Jahr 2040 den Großteil ihrer Importe aus diesen Ländern beziehen wird. Für die Exporte spielt China eine zunehmend bedeutendere Rolle. Im Jahr 2040 wird es mit einem Anteil von 10,6 Prozent nach Deutschland das wichtigste Exportland sein (2020: 8,9 %).

Institutionelle Rahmenbedingungen

Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit und der Geschäftsfreundlichkeit schneidet die Slowakei im EU-Vergleich unterdurchschnittlich ab. Während sich die Geschäftsfreundlichkeit in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert hat, nimmt die Wettbewerbsfähigkeit langsam ab. Vor allem die geringe Qualität der öffentlichen Institutionen behindert die Geschäfts- und Investitionstätigkeit in der Slowakei. Als Schwachstellen gelten u. a. eine starke Regulierung, eine schwierige Rechtsdurchsetzung, teilweise abrupte Gesetzesänderungen und ein kompliziertes Steuersystem. Gleichwohl hat sich die Slowakei in den vergangenen Jahren insbesondere für deutsche Industrieunternehmen aufgrund der geografischen Nähe zu Deutschland und der niedrigen Löhne als beliebter Produktionsstandort etabliert.

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