Länderfactsheets

Brasilien

Wirtschaftspolitik

Brasilien zählt ökonomisch, demografisch und flächenmäßig jeweils zu den zehn größten Ländern der Welt. Das südamerikanische Schwellenland ist reich an Rohstoffen wie Erdöl, deren Weltmarktpreise großen Einfluss auf Brasiliens Wirtschaftsleistung, Preisentwicklung und Staatseinnahmen haben. Seit dem Jahr 2018 wird das Land vom rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro regiert. Er verfolgt einen wirtschaftsliberalen Kurs. Während seiner Amtszeit hat Bolsonaro bereits eine umstrittene Rentenreform durchgesetzt – und damit die Belastung der öffentlichen Haushalte gesenkt – und die Ausgaben für Klima- und Umweltschutz gekürzt.

Demografie und Arbeitsmarkt

Gemessen an der Einwohnerzahl ist Brasilien das fünftgrößte Land der Welt. Im Jahr 2020 lebten dort 213 Millionen Menschen, im Jahr 2040 werden es bereits 229 Millionen Menschen sein. Dieses Bevölkerungswachstum speist sich im Wesentlichen aus einer steigenden Lebenserwartung. Die gleichzeitig sinkende Geburtenrate lässt den Altenquotienten von sehr niedrigen 14 Prozent (2020) auf 27 Prozent (2040) steigen. Langfristig altert Brasiliens Bevölkerung also spürbar, im Vergleich zu den Industrienationen aber noch immer auf moderatem Niveau. Mit 123 Millionen Erwerbspersonen wird auch 2040 ein sehr großer Pool an potenziellen Arbeitskräften zur Verfügung stehen. Wir erwarten u. a. eine zunehmende Integration von informell Beschäftigten in den Arbeitsmarkt, die das Arbeitsangebot im formellen Sektor steigen lässt. Das gilt vor allem für Frauen. Für Brasiliens Erwerbsbevölkerung gibt es gegenwärtig nicht genügend Jobs. Seit der Rezession 2014 bis 2016 liegt die Erwerbslosenquote im zweistelligen Bereich (2020: 13 %). Eine spürbare Absenkung erwarten wir erst Ende der 2020er-Jahre, wenn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und der Beschäftigungsaufbau an Dynamik gewinnen.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Ölpreisverfall, Korruption und geringe Wettbewerbsfähigkeit stürzten Brasilien im Jahr 2014 in eine tiefe Wirtschaftskrise, von der sich das Land seit 2017 nur langsam erholt. Die COVID-19-Pandemie hat die Lage wieder verschärft. Das BIP im Jahr 2020 entsprach dem Niveau von 2011. Aufgrund der genannten strukturellen Probleme dauert es voraussichtlich bis 2027, bis Brasilien einen dynamischeren Wachstumspfad mit gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten von deutlich über 2 Prozent p. a. erreicht. Insgesamt rechnen wir im Zeitraum von 2020 bis 2040 mit einem Wachstum der Wirtschaftsleistung von 2,5 Prozent p. a.

Konsum, Investitionen und Außenbeitrag

Den größten Beitrag zur langfristigen Wirtschaftsentwicklung leistet verwendungsseitig der private Konsum. Dazu tragen Bevölkerungswachstum und moderate Reallohnsteigerungen von 0,7 Prozent p. a. bis 2040 bei. Ein deutlich größerer Wachstumsbeitrag als in den letzten 20 Jahren geht mit langfristig knapp einem Viertel von den Investitionen aus. Bei den Ausrüstungsinvestitionen erwarten wir bis zum Jahr 2040 einen dynamischen Anstieg von 3,5 Prozent p. a. Erhöhte Investitionen in Maschinen und Anlagen, wie sie u. a. in Energie- und Verkehrsinfrastruktur geplant sind, fördern auch die seit 2013 stagnierende Produktivität. Bei einer weiterhin niedrigen Investitionsquote von 19 Prozent (2040) ist von einer Überwindung der Investitionsschwäche Brasiliens jedoch nicht auszugehen. Der Außenbeitrag wirkt sich im Zuge steigender Importe leicht negativ auf die langfristige BIP-Entwicklung aus.

Wirtschaftsstruktur

Wie fast alle Industrie- und Schwellenländer basiert die brasilianische Volkswirtschaft im Wesentlichen auf Dienstleistungen (70 % der Bruttowertschöpfung im Jahr 2020). Produzierendes Gewerbe und Bauwirtschaft kommen auf einen Bruttowertschöpfungsanteil von einem Viertel. Brasiliens Industrie ist im sektoralen Gefüge für ein Schwellenland eher schwach. Der Agrarsektor erwirtschaftet 5 Prozent der Bruttowertschöpfung. Er gilt als produktiv, umsatzstark und exportorientiert, wächst aber langfristig unterdurchschnittlich. Gut dreimal so schnell – befördert durch den Strukturwandel – legen die Dienstleistungen zu und steigern ihren Anteil an der Bruttowertschöpfung bis zum Jahr 2040 auf 72 Prozent.

Branchenentwicklung

Die umsatzstärksten Industriezweige sind die Nahrungsmittelherstellung und der Kraftwagenbau. Ein überdurchschnittliches Wachstum von über 3 Prozent p. a. erwarten wir bis zum Jahr 2040 in den Wirtschaftszweigen DV-Geräte, Elektronik, Optik sowie im Maschinenbau. Dazu tragen u. a. die höheren Investitionen in die Modernisierung von Industrie und Infrastruktur bei, von denen auch die Zweige Baugewerbe, Verkehr und Lagerei sowie unternehmensnahe Dienstleistungen profitieren.

Staatsfinanzen

Aufgrund der Wirtschaftskrise und der Finanzierung sportlicher Großereignisse Mitte der 2010er-Jahre sind Budgetdefizite und Schuldenstand deutlich gestiegen. Mit einer Schuldenstandsquote von 96 Prozent (2020) ist der brasilianische Staat hochverschuldet, die großen Ratingagenturen stufen Staatsanleihen als spekulativ ein. Pandemiebedingte Maßnahmen wie Liquiditätshilfen und Steuerbefreiungen haben die Verschuldung weiter erhöht. Angesichts der mittelfristig schwachen Wirtschaftsentwicklung erwarten wir – trotz zuletzt deutlicher Absenkung des Leitzinses – einen weiteren Anstieg der Schuldenstandsquote auf etwas über 100 Prozent bis Mitte der 2020er-Jahre. Erst danach gewinnen Wirtschaftsentwicklung und Kapitalzuflüsse wieder an Fahrt und ermöglichen eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung.

Außenhandel

Mit einem Anteil des Außenhandels von 29 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 ist Brasilien weniger eingebunden in globale Wertschöpfungsketten als viele andere Länder etwa in der Europäischen Union. Dieser Offenheitsgrad bleibt auch in der langen Frist gering (2040: 32 %). Dem brasilianischen Exportsektor hilft die schwache Währung. So sinken trotz spürbarer Lohnsteigerungen und nur moderater Produktivitätszuwächse die Lohnstückkosten im internationalen Vergleich. Brasilien exportiert vorrangig Agrarprodukte, Rohöl und Erze und importiert neben mineralischen Brennstoffen vor allem Maschinen. Mit 22 Prozent der Importe und 40 Prozent der Exporte wird China auch im Jahr 2040 der mit Abstand wichtigste Handelspartner, gefolgt von den USA, sein. Deutschland wird bei den Importen zur Gruppe der fünf wichtigsten Lieferländer gehören.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Korruption, Kriminalität, ein kompliziertes Steuersystem und starke Währungsschwankungen drücken auf das Geschäfts- und Investitionsklima. Demgegenüber stehen ein großer Binnenmarkt und ein Forschungs- und Innovationssystem, das sich zuletzt deutlich verbessert hat. Brasilien zählt zur Mercosur-Gruppe, mit der die Europäische Union im Jahr 2019 eine Einigung über das lange verhandelte Freihandelsabkommen erzielt hat. Angesichts breiter Kritik an Bolsonaros Umweltpolitik gilt eine baldige Ratifizierung durch die EU-Länder allerdings als fraglich.

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