Wachstumsdynamik in der Prognose
In den kommenden beiden Jahrzehnten nähert sich die Stärke der Wachstumsdynamik der Gruppe der Schwellen- und Entwicklungsländer derjenigen der Industrieländer allmählich an. Gleichwohl wachsen die Schwellenländer nach wir vor spürbar dynamischer. Im Durchschnitt legt die Wirtschaftsleistung der Industrieländer zwischen 2019 und 2030 um 1,8 Prozent p. a. zu – und damit ähnlich dynamisch wie zu Beginn des Jahrtausends. In den 2030er-Jahren sinkt dann die durchschnittliche Wachstumsrate auf 1,4 Prozent p. a. Dies zeigt zum einen, dass die Coronakrise 2020 zu weniger starken wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hat als die globale Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09; insbesondere in zahlreichen europäischen Ländern zeigte sich zu Beginn der 2010er-Jahre eine ausgeprägte Wachstumsschwäche. Zudem sorgen die verschiedenen großen Konjunktur- und Wiederaufbaupakete etwa in den USA oder in den Ländern der Europäischen Union in den kommenden Jahren für zusätzliche Dynamik.
Zunehmende Bedeutung der Schwellenländer
Infolge ihres im Vergleich zu den Industrieländern anhaltend höheren Wirtschaftswachstums steigt der Anteil der Schwellen- und Entwicklungsländer an der weltweiten Wirtschaftsleistung im Prognosezeitraum. Im Jahr 2000 betrug ihr Anteil lediglich rund ein Viertel. Im Jahr 2040 wird die Hälfte des globalen BIP in Schwellen- und Entwicklungsländern erwirtschaftet werden. Die industrialisierten Volkswirtschaften des Westens spielen somit zwar nach wie vor eine zentrale Rolle für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Ihre Bedeutung nimmt aber Jahr für Jahr ab.
Globale Wirtschaftsleistung
Insgesamt legt die globale Wirtschaftsleistung zwischen 2020 und 2040 um zwei Drittel zu. Der größte Wachstumsbeitrag kommt dabei aus China. Die Volksrepublik ist im betrachteten Zeitraum für 31 Prozent des künftigen Wachstums verantwortlich. Die USA und die Länder der Europäischen Union leisten mit 18 Prozent bzw. 11 Prozent ebenfalls einen großen Wachstumsbeitrag. Auf Indien, das zweitgrößte Schwellenland, entfallen lediglich rund 7 Prozent.
Wachstum und Wohlstand in den Weltregionen
Industrieländer
In der Gruppe der Industrieländer verstetigt sich damit eine langfristige Tendenz, die bereits in der kurzen Frist erkennbar war. Die USA wachsen im Vergleich zu den Ländern der Europäischen Union dynamischer. Dafür verantwortlich ist v. a. die günstigere demografische Entwicklung in den USA. Das BIP je Einwohner wächst in der Europäischen Union hingegen sogar mit einer höheren Wachstumsrate als in den USA. Ein überdurchschnittlich hohes Wachstumstempo weist in der Gruppe der Industrieländer Südkorea auf. Zwar altert auch die südkoreanische Gesellschaft spürbar. Gleichzeitig profitiert das Land aber wirtschaftlich von seinen intensiven Handelsbeziehungen mit den wachstumsstarken asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern.
Schwellenländer
Innerhalb der Gruppe der Schwellenländer dominiert wirtschaftlich China. Zwar ist das Wachstumstempo in der Volksrepublik in den kommenden beiden Jahren geringer als in der Vergangenheit und wird etwa von der Entwicklung in Indien übertroffen. Die chinesische Volkswirtschaft ist mittlerweile jedoch so stark, dass das Land auch mit niedrigeren Wachstumsraten der wichtigste Motor der Weltwirtschaft bleibt.
Konvergenz
Bezüglich des Wohlstandsniveaus ist in der langen Frist eine leichte Konvergenzentwicklung zu beobachten: Nicht nur das BIP insgesamt, sondern auch die Wirtschaftsleistung je Einwohner steigt in den Schwellen- und Entwicklungsländern schneller als in den Industrieländern.
Gleichwohl bleibt der Abstand zwischen den Wohlstandsniveaus der beiden Ländergruppen groß – und wird in absoluten Werten gemessen sogar größer. Die Entwicklung zeigt, wie schwierig der Sprung vom aufstrebenden Schwellenland zu einem wohlhabenden Industrieland ist. Nur wenige Länder, etwa Südkorea, haben diesen Sprung in den vergangenen Jahrzehnten geschafft.
Globale Handelsverflechtungen
Offenheitsgrad
Infolge der COVID-19-Pandemie wurden die globalen Liefer- und Produktionsketten im Jahr 2020 zum Teil massiv gestört, sodass der Welthandel 2020 noch stärker zurückging als die globale Wirtschaftsleistung. Im Ergebnis sank der globale Offenheitsgrad von 56 Prozent im Jahr 2019 auf 54 Prozent im Jahr 2020. In der mittleren und langen Frist steigt der globale Handel jedoch wieder etwas schneller als das weltweite BIP. Gleichwohl ist im Hinblick auf den Offenheitsgrad – und damit den Welthandel – lediglich eine verhaltene Globalisierungsdynamik abzusehen. Während der Offenheitsgrad in der Hochphase der wirtschaftlichen Globalisierung zwischen 1990 und 2000 um durchschnittlich 1,1 Prozentpunkte p. a. zunahm, ist im Prognosezeitraum bis 2040 lediglich eine Zunahme um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte p. a. zu beobachten. Diese Entwicklung ist den fehlenden Fortschritten im Hinblick auf eine weitere Liberalisierung des Welthandels geschuldet. Die zunehmende Zahl protektionistischer Maßnahmen, insbesondere in Form von nichttarifären Handelshemmnissen, verhindert eine höhere Dynamik des Welthandels (zum Artikel Globalisierung). Zudem zeigt sich in der geringen Zunahme des Offenheitsgrads das zunehmende weltwirtschaftliche Gewicht der Schwellen- und Entwicklungsländer – sie weisen im Vergleich zu den hochentwickelten westlichen Volkswirtschaften in der Regel einen deutlich geringeren Offenheitsgrad auf.
Weltexportanteile
Auf dem Weltmarkt zeigt sich ein ähnliches Bild wie bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt. Die großen entwickelten Volkswirtschaften – darunter Deutschland und die USA – spielen auch künftig eine wichtige Rolle. Gleichwohl verlieren die Industrieländer insgesamt an relativer Bedeutung. Ihr Anteil an den weltweiten Exporten sinkt von 57 Prozent im Jahr 2020 auf 53 Prozent im Jahr 2040. Im Gegenzug steigt der Weltexportanteil der Schwellen- und Entwicklungsländer. So nimmt etwa der chinesische Anteilswert im gleichen Zeitraum von 12 Prozent auf 14 Prozent zu.
China spielt (längst) in einer anderen Liga als die übrigen Schwellenländer
Insgesamt hat die COVID-19-Pandemie die Entwicklung der Weltwirtschaft in keine vollkommen neue Richtung gelenkt. Gleichwohl hat sie einige grundlegende Entwicklungstendenzen beschleunigt. Innerhalb der Gruppe der Schwellen- und Entwicklungsländer setzt sich China in der kurzen Frist weiter ab. Die übrigen großen Schwellenländer – vor Jahren wurden China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika noch als vergleichsweise homogene Gruppe der BRICS-Länder zusammengefasst – sind im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft nicht nur deutlich kleiner, sondern wachsen vor allem merklich langsamer. In der langen Frist nimmt zwar das chinesische Wachstumstempo spürbar ab. Gleichwohl hat China mittlerweile eine Größe und ein Wohlstandsniveau erreicht, die bzw. das das Land dauerhaft aus der Gruppe der übrigen großen Schwellenländer hervorstechen lässt. In der Gruppe der hochentwickelten Volkswirtschaften können die USA ihre Wirtschaftsleistung bis 2040 spürbar schneller steigern als die Europäische Union. In Ostasien bleibt zwar Japan mit einigem Abstand die größte Volkswirtschaft. Gleichwohl zeigt Südkorea ein deutlich stärkeres Wirtschaftswachstum und überholt Japan bei der Wirtschaftsleistung je Einwohner.